Markus Lanz hat sich in seiner ZDF-Talkshow am Dienstagabend erneut der Politik an der Basis gewidmet – „da, wo es passiert“, startet er in die Runde. Welche Auswirkungen bundespolitische Entscheidungen auf die kommunale Praxis haben, berichteten: Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen (parteilos, zuvor Grüne), Jutta Steinruck, Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen (parteilos, zuvor SPD), Achim Brötel (CDU), Präsident des Deutschen Landkreistags, sowie Oliver Schmidt-Gutzat (SPD), Bürgermeister der Stadt Heide.

Im Zentrum der Diskussion stand die dramatische Finanzlage deutscher Städte und Gemeinden. Insbesondere Palmer nutzte die Bühne, um scharfe Kritik an wachsender Bürokratie und überbordenden Sozialausgaben zu üben. Der Tübinger Oberbürgermeister, der mittlerweile als unabhängiger Kommunalrebell firmiert, sprach Klartext – vor allem beim Thema Bürgergeld.

„Man möchte nicht, dass Bürgergeldempfänger sofort Knall auf Fall die Wohnung wechseln müssen, da habe ich erst mal Verständnis für. Dann schafft man eine Regelung – ein Jahr lang wird die Miete nach oben unbegrenzt bezahlt“, sagte Palmer. „Ich habe einen Bescheid gesehen, dass eine Bürgergeldfamilie 6000 Euro Bürgergeld im Monat bekommt.“ Moderator Lanz fragte ungläubig: „Wofür?“ Palmer: „Die haben sieben Köpfe in der Familie und eine sauteure Wohnung, wo einer noch abzockt, der sie halt da drin hat.“

Sein Appell: „Vielleicht kann man die guten Absichten mal wieder darauf reduzieren, dass der Staat gegen Notlagen hilft und nicht jedes Risiko auf der Welt absichert. Wenn ich so eine teure Wohnung habe, muss ich halt umziehen.“

Mit Blick auf die kommunalen Haushalte sprach Palmer von einem „Fahren an die Wand“. Eine eingeblendete Grafik untermauerte die Dramatik: Das Haushaltsdefizit deutscher Gemeinden stieg demnach von 6,6 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf 24,8 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Die Ursachen? Wegbrechende Steuereinnahmen, explodierende Personalkosten durch „weit überhöhte Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst“ und eine Gesetzesflut.

Auch die anderen Gäste klagten über Überforderung und Strukturprobleme. CDU-Mann Brötel sprach von einer „dramatischen Finanzlage“ und „immer neuen kostenintensiven Aufgabenüberträgen“ an die Kommunen. Brötel zitierte an dieser Stelle den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne): „Ein wildes, wüstes Brombeergestrüpp. Die Früchte sind ganz hinten und bis ich an die Früchte drankomme, habe ich unglaublich viel Weg und Aufwand.“

„Das Ende der Fahnenstange ist erreicht“

Brötel forderte Kürzungen bei Sozialleistungen wie dem Bürgergeld, beim Elterngeld sowie einen Stopp des Ausbaus der Mütterrente. „Man muss bereit sein, Einschnitte hinzunehmen“, so Brötel. Lanz‘ Fazit: „Der Sozialstaat frisst uns die Haare vom Kopf?“ Palmer: „Unterschreib’ ich.“

Jutta Steinruck schilderte derweil, wie ihre Stadt Ludwigshafen mit einer Milliarde Euro verschuldet sei. Der Sparkurs dauere dort seit Jahrzehnten an. Investitionen seien kaum noch möglich – nicht in Schulen, nicht in Kindergärten, nicht in Infrastruktur. „Das Ende der Fahnenstange ist erreicht.“

Auch die Bürokratie geriet in den Fokus. SPD-Bürgermeister Schmidt-Gutzat berichtete vom fünfjährigen Bau einer neuen Kita. Steinruck sprach gar von einem 13 Jahre dauernden Planfeststellungsverfahren für eine Brücke. Palmer beklagte absurde Vorschriften wie Schulungen für Fuhrparkangestellte oder Inspektionspflichten für Batterie-Ladegeräte. Sein Kommentar: „Wir können uns diesen ganzen bürokratischen Schwachsinn nicht mehr leisten!“

Dabei hätten die Kommunen laut Palmer ohnehin kaum Spielräume – selbst wenn vom Bund bereitgestellte Gelder irgendwann ankämen. So rechne Tübingen aus einem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen des Bundes mit gerade einmal vier Millionen Euro. „Davon können wir nicht einmal eine kaputte Brücke sanieren“, so Palmer, der diesen Vorgang als „staatliche Zechprellerei“ bezeichnete.

Trotz aller Kritik fand Palmer ein versöhnliches Schlusswort – und berichtete, dass ein Problem aus seinem letzten Auftritt bei „Lanz“ gelöst worden sei. Damals hatte der streng geschützte Ziegenmelker den Ausbau des Tübinger Uniklinikums verhindert. Bauministerin Klara Geywitz habe anschließend interveniert. Der Vogel sei inzwischen kein Hindernis mehr.

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