Es ist einer dieser Momente, die hängen bleiben: Der ans Kreuz genagelte Brian, der den ganzen Film über fälschlicherweise als Jesus betrachtet wird, wird von einem ebenfalls ans Kreuz genagelten Mann aufgefordert, die Sache mit Humor zu nehmen. Dann zieht die Kamera auf und gibt den Blick frei auf weitere gekreuzigte Männer, die den Refrain mitsingen: «Always look on the bright side of life.»
«Monty Python’s Life of Brian» (1979) war die erste filmische Persiflage auf das Leben Jesu und hat die Wahrnehmung mehrerer Generationen nachhaltig geprägt. Selbst wer den Film gar nie gesehen hat, kennt diese Szene – und natürlich den Song von Eric Idle.
Dass «Life of Brian» überhaupt gedreht wurde, war dem einstigen Beatle George Harrison zu verdanken. Er gründete extra für diesen Film eine Produktionsfirma, um die in Aussicht gestellte, aber am Ende zurückgezogene Finanzierung durch die Plattenfirma EMI zu kompensieren. Als der Film dann fertig war, wurde er in mehreren Ländern verboten, darunter Italien, Irland und Norwegen. Denn Religion und Humor geht in der Regel gar nicht.
«Wenn man die Jesusgeschichte erzählt, muss man sich an bestimmte Regeln halten», erklärt Religionswissenschaftlerin und Filmexpertin Marie-Therese Mäder im Dokumentarfilm «Jesus goes to Hollywood». Es gebe eine Schnittmenge an Inhalten, bei der sich fundamentale Christen und die römisch-katholische Kirche treffen würden. «Die haben eine klare Vorstellung, wie die Geschichte ‹richtig› erzählt wird. Wenn aber eine bestimmte Grenze überschritten wird, gibt es Probleme.»
Bloss keinen Beischlaf!
Sex ist zum Beispiel ein Problem. Dem Sohn Marias, bekanntlich ohne Geschlechtsverkehr entstanden, wurde keine Sinnlichkeit gegönnt. Als er in Martin Scorseses «The Last Temptation of Christ» mit einer seiner Jüngerinnen schlief und ein Kind zeugte, führte das in weiten Kreisen der aktiven Christenheit zu tiefer Entrüstung, bösen Kommentaren, einem Brandanschlag auf ein Kino in Paris und zu Zensurforderungen, die bis in den Kanton Luzern reichten, wo der Schreibende zu jener Zeit als Kino-Operateur tätig war.

In Luzern war die Vorführung der letzten Versuchung Christi verboten, also wichen Interessierte in liberalere Kantone aus, um Willem Dafoe in der Rolle des zweifelnden und allzu menschlichen Jesus zu sehen.
Als der Film 1988 ins Programm des Filmfestivals Venedig aufgenommen wurde, zog Franco Zeffirelli seinen Wettbewerbsbeitrag zurück. Der italienische Regisseur, der 1977 in «Gesù di Nazareth» eine sehr ausführliche Interpretation des Evangeliums von sechs Stunden Länge realisiert hatte, störte sich – wie so viele andere – an Scorseses Jesus-Darstellung.
Sex sells, Gewalt auch
Gewalt hingegen scheint weniger ein Problem zu sein. Als Mel Gibsons Film «The Passion of the Christ» 2004 ins Kino kam, löste er vor allem deshalb eine Debatte aus, weil er so brutal war. Was ihm zu noch mehr Popularität verhalf. Finanziell sprengte der Film alle Erwartungen und spielte bis heute das 20-fache dessen ein, was Mel Gibson investiert hatte.

«Das hat damit zu tun, dass er eine Sensation und eine Attraktion gleichzeitig geschaffen hat», sagt Marie-Therese Mäder, die beim Dokumentarfilm «Jesus goes to Hollywood» beratend zur Seite stand. «Nicht nur Sex, auch Gewalt verkauft sich.» Zudem sprechen Gibsons Jesus und seine Entourage Aramäisch, also so, wie man damals im Heiligen Land sprach. «So hat der Film den Anspruch vermittelt, dass man diesen Figuren und Jesus’ Geschichte nahekommt.»
War Jesus blond?
Diesen Anspruch hatte auch Milo Rau. Der Schweizer Theater- und Filmregisseur liess Jesus in «Das neue Evangelium» (2020) von einem schwarzen Landarbeiter spielen, den er im Umland von Matera kennengelernt hatte – in jener Stadt, die seit «Il Vangelo secondo Matteo» (1964) von Pier Paolo Pasolini die Kulisse für fast 20 Jesus-Spielfilme bot und die in der Wahrnehmung der Zuschauenden inzwischen deckungsgleich mit dem antiken Jerusalem ist.

Jesus, so sagt es Milo Rau in «Jesus goes to Hollywood», würde sich heute für die Landarbeiter in Süditalien engagieren. «Da gibt es eine halbe Million Flüchtlinge ohne Papiere. Die leben unter dem Gesetz der Mafia, müssen Tomaten und Orangen ernten.» Mit diesen Leuten würde er in Matera einmarschieren, so wie Jesus vor 2000 Jahren in Jerusalem einmarschiert sei, und sagen: «Ihr müsst Taten folgen lassen, ihr könnt nicht nur schöne Bilder produzieren und reden.»
Überhaupt spiegle die Darstellung des Religionsstifters stets die Zeit wider, in der ein Film entstehe, sagt Marie-Therese Mäder. Waren die «Jesusse» früher immer europäische Männer mit blonden Haaren und blauen Augen, wurden diese in letzter Zeit diverser, nicht nur unter der Regie von Milo Rau.
Der Messias im Blick der CIA
In der Serie «Messiah» (2020) wird Jesus beispielsweise von Mehdi Dehbi, einem Belgier mit marokkanischen Wurzeln, verkörpert. Ähnlich wie in «Life of Brian» gehe es in dieser Serie vor allem darum, was Gläubige, Zweiflerinnen und die CIA in den vermeintlichen Messias hineininterpretierten, so Dehbi. «Wir erfahren nie, wer er wirklich ist. Alles, was wir wissen, ist das, was andere sehen.»

Jesus als Mensch: Das interessiert auch Paul Verhoeven. Seit über 30 Jahren studiert der Regisseur von «Total Recall» oder «Basic Instinct» die Bibel. «Ich bin ein Jesus-Fan», so Verhoeven, «aber ich glaube nicht, dass Jesus göttlich war und beispielsweise übers Wasser gehen konnte. Aber mit diesem Glauben bin ich in Hollywood allein. Der Jesus, der sich am besten vermarktet, ist der Heiland, der Sohn Gottes.» Diesen Film, so Verhoeven, könne man jedes Jahr machen. Aber das interessiere ihn nicht.
Perfekte Projektionsfläche
Womit wir wieder bei den Regeln wären und bei «Life of Brian», dieser brillanten Persiflage von 1979. Blasphemisch sei der Film mitnichten, betonte die britische Komikertruppe Monty Python immer wieder. Brian sei nicht Jesus, er werde bloss für Jesus gehalten. Dieser Sichtweise pflichtet Religionswissenschaftlerin Marie-Therese Mäder bei.
«Life of Brian» kritisiere weder Religionen im Allgemeinen noch das Christentum im Besonderen, sondern vielmehr die Idee, es gäbe die eine wahre und richtige Auslegung der Jesusgeschichte. «Brian, das Resultat einer jüdisch-römischen Affäre, will also weder der Messias sein noch Wunder wirken, sondern einfach nur in Frieden gelassen werden.»
Aber in Frieden ruhen lassen, das geht mit Jesus natürlich nicht. Dafür bietet der Sohn Gottes zu viel Projektionsfläche. Schon deshalb ist er längst Teil der Popkultur geworden.
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