Das Bekenntnis des deutschen Finanzministers kam überraschend. „Meine Frau fährt ein amerikanisches Auto“, sagte Jörg Kukies (SPD) auf Englisch. Er machte eine Pause, lächelte die Interviewerin auf der kleinen Bühne des Semafor World Economy Summit in Washington herausfordernd an, damit sie nach dem Fabrikat fragte. „Ein BMW“, sagte Kukies. Dieser werde in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina hergestellt, von dort in die ganze Welt verkauft, BMW sei der größte Auto-Exporteur der Vereinigten Staaten.

Die Adressaten der persönlichen Anekdote waren nicht nur die rund 300 Zuhörer im Konferenzraum des Conrad Hotels, sondern sicherlich auch der Hausherr im unweit gelegenen Weißen Haus: US-Präsident Donald Trump. Der beklagte schon während seiner ersten Amtszeit regelmäßig, dass auf amerikanischen Straßen zwar viele deutsche Autos fahren, auf deutschen aber kaum amerikanische.

Kukies nutzte rund um die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank jedes sich bietende Gesprächsformat, auf Podien genauso wie hinter verschlossenen Türen, um über die Zollpolitik zu sprechen und Lösungswege auszuloten – auch wenn er nicht zum Verhandlungsteam der EU gehört.

Das Ziel ist klar: Der Streit soll so schnell wie möglich beigelegt werden. „Je länger wir auf eine Einigung warten, desto länger lassen wir die Unsicherheit in unseren beiden Volkswirtschaften bestehen“, sagte der Finanzminister, dessen Amtszeit höchstwahrscheinlich in wenigen Tagen endet.

Der Internationale Währungsfonds senkte in dieser Woche seine Prognosen für das Wachstum der Weltwirtschaft. Die Vereinigten Staaten selbst, aber auch China und Exportländer wie Deutschland und Mexiko bekommen demnach die Folgen von Trumps Zollpolitik besonders zu spüren.

„Es gibt ein Gefühl der Dringlichkeit“, sagte Kukies. Im Moment, da niemand wisse, ob es einen Deal geben werde, zögerten Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen hinaus.

Trumps Zölle als „Strukturbruch“

Bundesbank-Chef Joachim Nagel sprach während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kukies von einem „Strukturbruch“ infolge von Trumps umfassenden Zollankündigungen am 2. April. „Es wird sich zeigen, inwieweit der Strukturbruch zu kitten ist“, fügte er mit Blick auf die laufenden Zollverhandlungen der Vereinigten Staaten hinzu.

Bewege sich Trump nicht, gehe die Bundesbank von einem „signifikanten Einfluss“ auf die Wirtschaft in Deutschland aus. Nagel sprach von einem halben Prozentpunkt. Dann könne er nicht ausschließen, dass die Wirtschaftsleistung das dritte Jahr in Folge schrumpft.

Trump wird sich trotz des Schadens seiner Politik für die Weltwirtschaft nicht drängen lassen. Kukies äußerte sich dennoch optimistisch. „Der Komplexitätsgrad des Ganzen ist ja nicht so, dass es nicht möglich ist, innerhalb von 90 Tagen eine Einigung zu finden“, sagte. Deshalb solle das schon möglich sein.

Der amerikanische Finanzminister Scott Bessent habe sich absolut konstruktiv gezeigt. Deshalb habe er nach den Gesprächen in Washington ein „besseres Gefühl“. Im Detail gebe es von den Verhandlern aber noch viele Punkte zu klären. Trump hatte einen Großteil seiner angekündigten Sonderzölle für einen Zeitraum von 90 Tagen eingefroren.

Das Problem aus Sicht von Europa, aber auch von China, Japan und allen anderen Länder ist, dass Trump von seinen Handelsexperten mit allen einzeln verhandeln lässt. Wenn niemand weiß, was andere Länder anbieten, wie weit sie auf Forderungen der Amerikaner womöglich schon eingegangen sind, erhofft er sich den maximalen eigenen Erfolg. Unberechenbarkeit ist für Trump Strategie.

Die Verhandler der anderen Länder kennen dieses spieltheoretische Kalkül natürlich auch. Das funktioniert nur, wenn sich die anderen Länder gegenseitig ausspielen lassen. Entsprechend werden die Tage in Washington rege genutzt, um bei anderen herauszuhören, wie weit sie bereit sind, auf die Amerikaner zuzugehen, wer etwa von sich aus bereits konkrete Lösungsvorschläge gemacht hat.

Ein Spiel mit gewaltigem Einsatz

Dass sich alle gegen Trump und damit die Vereinigten Staaten zusammentun, wird allgemein schon deshalb als unrealistisch eingeschätzt, weil die Interessen so unterschiedlich sind – je nach Bedeutung des US-Marktes für den eigenen Wohlstand.

Es ist ein Spiel mit gewaltigem Einsatz gerade für die beiden wirtschaftlichen Schwergewichte USA und China. In dieser Woche sendeten Trump und seine Mitstreiter fast schon versöhnliche Töne in Richtung Volksrepublik. Auf Produkte von dort gelten ungeachtet der 90-Tage-Schonfrist weiterhin Sonderzölle von bis zu 145 Prozent. Peking erhebt im Gegenzug Zölle von 125 Prozent auf Waren aus den USA.

„Keine der beiden Seiten glaubt, dass diese Niveaus haltbar sind. Wie ich gestern sagte, kommt dies einem Embargo gleich, und ein Abbruch des Handels zwischen den beiden Ländern ist in niemandes Interesse“, sagte US-Finanzminister Bessent.

Und auch Stephen Miran, der oberste Wirtschaftsberater des Präsidenten, verströmte auf jener Veranstaltung Optimismus, auf der auch Kukies über das Auto seiner Frau gesprochen hatte. Er sei zuversichtlich, dass beide Volkswirtschaften „etwas mehr Luft zum Atmen“ bekämen. Das wäre gut für die amerikanische Wirtschaft, für die chinesische und auch für die Weltwirtschaft.

Im November hatte Miran als Stratege des Finanzunternehmens Hudson Bay Capital Management ein 40-Seiten-Papier mit dem Titel veröffentlicht: „Ein Benutzerhandbuch zur Umstrukturierung des globalen Handelssystems“. Darin beschreibt er das US-Handelsdefizit als großes Ärgernis, was auch am teuren Dollar liege. Diese Unwucht könne durch hohe Zölle ausgeglichen werden.

Zähe Verhandlungen mit Trump-Regierung

Interessant mit Blick auf die Verhandlungen war Mirans Antwort auf die Frage, ob nicht die Gefahr von Vergeltungszöllen auf geistiges Eigentum wie Filme und Apps aus den USA bestehe. „Vergeltung widerspricht dem Ziel, das System fairer zu machen“, sagte Miran dazu. Es gehe darum, die Kosten, die die Vereinigten Staaten auch für den militärischen Schutz des Welthandels übernähmen, gerechter zu verteilen, nicht die Situation zu verschärfen.

Es klang nach einer roten Linie. In Europa wird seit Wochen darüber diskutiert, inwieweit eine einheitliche Steuer auf die Gewinne der großen US-Tech-Unternehmen als Gegenmaßnahme wirken könne.

Trotz des „besseren Gefühls“ von Finanzminister Kukies ist davon auszugehen, dass die Verhandlungen in den nächsten Wochen zäh verlaufen, begleitet von einem fortgesetzten Auf und Ab an den Börsen. Mitunter kann dafür schon die Frage sorgen, ob überhaupt und wie oft miteinander gesprochen wird – wie am Donnerstag. Nachdem China eine Darstellung von Trump zurückgewiesen hatte, dass beide Seiten im Handelsstreit „jeden Tag“ in direktem Kontakt stünden, gaben die Aktienkurse wieder nach.

Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik. Aktuell berichtet er von der Frühjahrstagung des IWF aus Washington.

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