Längst nicht jeder Fahrgast der Deutschen Bahn (DB), der gerade in einer Betriebsstörung feststeckt, erfährt auch auf den Bildschirmen im Zug davon. Zwar sieht es so aus, als bekämen die Passagiere auf den Displays in ihren Wagen immer in Echtzeit die Informationen über ihre aktuelle Reise eingeblendet, doch das stimmt gar nicht.
40 Prozent der ICEs und ICs sind technisch nicht in der Lage, für die sogenannte Reisendeninformation Echtzeitdaten anzuzeigen. Wer in diesen Zügen unterwegs ist, erfährt nur durch den Blick in die Handy-App „DB Navigator“, wie sich die Ankunftszeit immer weiter nach hinten verschiebt. Alternativ hilft natürlich auch ein Blick aus dem Fenster auf die stillstehende Landschaft, um zu merken, dass da etwas nicht stimmt.
Die Deutsche Bahn beruhigt: Lediglich etwa 25 Prozent der Fahrgäste seien in den Zügen ohne Live-Daten unterwegs. Das liegt daran, dass es sich bei den veralteten Modellen um relativ kurze Züge auf weniger befahrenen Strecken handelt. Immerhin.
Deutlich höher ist also das Risiko, generell in eine Verspätung im Fernverkehr der Deutschen Bahn zu geraten: Weniger als zwei Drittel der Züge kamen vergangenes Jahr halbwegs pünktlich an ihr Ziel – im Juni 2024 war es sogar nur gut jeder zweite ICE und IC, der weniger als sechs Minuten zu spät einfuhr.
Damals sank die sogenannte Betriebspünktlichkeit auf gerade noch 52,9 Prozent. Gemeint sind damit Züge, die weniger als sechs Minuten Verspätung haben.
Dabei könnten die Züge eigentlich schnell fahren, wenn sie nicht dauernd von Baustellen und anderen Störungen ausgebremst würden. 1631 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecke gab es im Jahr 2022 in Deutschland.
In nur vier Ländern ist das Netz der Strecken länger, auf denen über 200 km/h gefahren werden darf. Mit großem Abstand vorn liegt China mit mehr als 40.000 Kilometern Hochgeschwindigkeitsstrecke, es folgen Spanien, Japan und Frankreich.
Es sind klassische Bahn-Länder, wobei ein Vorzeigeland fehlt – schon wegen seiner Größe: die Schweiz. Die liegt dafür bei einer anderen Statistik ganz weit vorn, nämlich bei den gefahrenen Kilometern pro Einwohner. Die Eidgenossen sind echte Zug-Fans.
Jeder Schweizer fuhr im Jahr 2023 durchschnittlich 2466 Kilometer mit der Bahn. Auf Platz zwei folgt gleich noch ein kleiner Alpen-Staat: Österreich. Hier waren die Einwohner 2023 im Schnitt 1576 Kilometer mit dem Zug unterwegs.
Das deutlich größere Deutschland schafft es in dieser Rangliste der europäischen Vielfahrer nur auf einen mittelmäßigen fünften Platz. Im Durchschnitt nutzte jeder Deutsche die Bahn, um damit 1215 Kilometer zurückzulegen. Neben den Alpenländern lagen auch noch Schweden und Frankreich vor den Deutschen.
Eigentlich hatte die Bundesrepublik ambitionierte Ziele für den Schienenverkehr: Bis 2030 sollte sich die Zahl der Passagiere im Fernverkehr auf 260 Millionen verdoppeln. So stand es im Programm „Starke Schiene“, das schon 2019 beschlossen wurde.
Dieser Wert gilt inzwischen als unerreichbar. Im vergangenen Jahr waren es gerade mal 133 Millionen Fahrgäste – ein Minus im Vergleich zu 2023 von knapp sieben Prozent. Auch beim Güterverkehr geht es viel zu langsam voran. Bis 2030 sollte der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene eigentlich auf 25 Prozent steigen.
Doch von 2013 bis 2023 kletterte die Quote gerade mal von 17,5 Prozent auf 19,9 Prozent – zuletzt sank der Anteil der Bahn am gesamten Güterverkehrsaufkommen sogar wieder leicht. Auch angesichts der maroden Schieneninfrastruktur ist es kaum noch möglich, das Ziel in den kommenden fünf Jahren noch zu erreichen.
Philipp Vetter ist Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er berichtet über das Bundeswirtschaftsministerium, Wirtschaftspolitik, Energiepolitik, Verkehrspolitik, Mobilität und die Deutsche Bahn. Seinen exklusiven WELTplus-Newsletter können Sie hier abonnieren. Er ist seit 2021 Co-Host des WELT-Podcasts „Alles auf Aktien“.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.