Der Koalitionsvertrag war kaum veröffentlicht, da warnte SPD-Chef Lars Klingbeil schon vor zu großen Erwartungen an die darin von Union und SPD vereinbarten Pläne. Vieles, was in dem Papier aufgeführt sei, stehe unter „Finanzierungsvorbehalt“, sagte Klingbeil in Berlin. „Uns ist klar, dass alles, was in diesem Koalitionsvertrag steht, dass es finanziert werden muss, und deswegen gibt es ganz wenige Verabredungen, wo sie lesen werden, dass da steht ‚wir werden‘ – und bei einigen steht ‚wir wollen‘. Das heißt, wir nehmen es uns vor. Aber ob es finanziert werden kann, das muss am Ende geprüft werden.“

Entscheidend ist Seite 51 im Koalitionsvertrag. Schwarz auf weiß steht in Zeile 1627: „Folgende Leitlinien für eine zukunftsgerichtete Haushalts- und Finanzpolitik sind für uns bindend: (...) Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“

Die ersten Streitpunkte zeichnen sich schon ab. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch betont, dass bei der Ausweitung der Mütterrente das letzte Wort nicht gesprochen sei. „Das ist alles vom Finanzierungsvorbehalt natürlich abhängig“, sagte Miersch im „Berlin Playbook Podcast“ des Nachrichtenmagazins „Politico“ (gehört wie WELT zur Axel Springer SE). Union und SPD hätten vereinbart, dass die Mütterrente steuerfinanziert werde.

Die Mütterrente war eines der Wahlversprechen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). CSU-Vize Dorothee Bär stellt sich entsprechend gegen Abstriche bei der Mütterrente. „Die Mütterrente kommt, glauben Sie mir, ganz sicher“, sagte Bär „Politico“.

Ohne diese Rente würden „für die Altersarmut ganz dramatische Sozialleistungen“ fällig. Steuererhöhungen für die Mütterrente schloss Bär allerdings aus. „Auf keinen Fall“ werde es dazu kommen, sagte sie.

Spahn: 15-Euro-Mindestlohn bis 2026 „unwahrscheinlich“

Die Union zweifelt wiederum an einem der Kernvorhaben der SPD. Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) hält es für „unwahrscheinlich“, dass der Mindestlohn schon 2026 auf 15 Euro steigen wird. „Dass wir so viel Wachstum und Lohnentwicklung haben, dass es nächstes Jahr schon gelingt, ist unwahrscheinlich“, sagt der CDU-Politiker den TV-Sendern RTL/ntv. „Aber wir lassen uns mal überraschen.“

Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.“

Die Grünen-Co-Vorsitzende Franziska Brantner kritisierte mangelnde Priorisierung durch Schwarz-Rot. Im Koalitionsvertrag würden zwar viele Themen adressiert, aber die Umsetzung stehe immer unter Vorbehalt. „Da wurde eben nichts priorisiert, da wurde nichts entschieden“, sagte Brantner dem Bayerischen Rundfunk.

Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte in der ARD immerhin zugesichert, dass die geplanten Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung von Unternehmen ungeachtet dieser Finanzierungsfragen umgesetzt werden sollen. „Die deutsche Wirtschaft hält viel aus, aber was sie nicht aushält ist Ungewissheit, Unsicherheit – und die beseitigen wir“, sagte Merz.

Seine Regierung plane auch Einsparungen, so solle die Zahl der Beauftragten des Bundes stark reduziert werden. Aktuell gibt es laut einer Liste des Bundesinnenministeriums 43 solcher Beauftragten und Koordinatoren oder Koordinatorinnen, sie kümmern sich beispielsweise um Antisemitismus oder den Bonn-Berlin-Umzug.

Auch Klingbeil, der als möglicher Kandidat für das Finanzministeramt gilt, hält Einsparungen in Regierung und Verwaltung sowie durch geplante Reformen in der Grundsicherung und in der Entwicklungszusammenarbeit für möglich. So könnten finanzielle Spielräume entstehen. Er fügte hinzu, dass es mit dem Koalitionsvertrag einen Plan gebe, „der von Solidität geprägt ist, der keine Luftschlösser baut“, sodass nicht wieder Kämpfe wie in der vergangenen Regierung geführt werden müssten.

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