Eine gemeinsame Verkehrspolitik ist bereits 1958 im Vertrag von Rom zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erwähnt, und seit mehr als 30 Jahren zählt dieses Ziel zum festen Bestandteil der Politik der Europäischen Union. Aber es ist wie so oft im Brüsseler Betrieb: Neben höchst sinnvolle Projekte wie die Schaffung eines transeuropäischen Wegenetzes und die Öffnung der Verkehrsmärkte traten bald die übergriffigen Regulierungsinitiativen.
So versuchen die Verkehrskommissare seit fast 15 Jahren, eine jährliche TÜV-Inspektion für ältere Fahrzeuge durchzusetzen. Bislang gelang das nie, jetzt unternimmt die Kommission den nächsten Anlauf. Man sei fest entschlossen, eine jährliche Inspektionspflicht für Autos einzuführen, die älter als zehn Jahre sind, teilte der zuständige Kommissar Apostolos Tzitzikostas in dieser Woche mit. Es gehe um die Sicherheit. Zwar machten technische Defekte nur einen geringen Anteil an den Unfallursachen aus – dennoch ließe sich die Zahl der Unfallopfer so reduzieren.
Mikroregulierung, die womöglich Minimaleffekte erzielt, aber die automobilen Bürger mit Bürokratie und Kosten belastet sowie von tiefem Misstrauen gegenüber der Eigenverantwortung des Individuums zeugt – das sind genau jene Projekte, die Brüssel betreiben muss, um die Akzeptanz der EU weiter zu beschädigen.
Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU), die nach den bürokratischen Exzessen des Green Deal für ihre zweite Amtszeit den Abbau übermäßiger Regulierung ausgerufen hat, sollte jedem ihrer Kommissare einen Satz aus dem EU-Vertrag hinter die Ohren schreiben: „Entscheidungen werden so bürgernah wie möglich getroffen.“ Das ist gewährleistet, wenn die EU nur dann tätig wird, wenn Ziele aus Brüssel besser erreicht werden können als auf Ebene der Nationalstaaten.
Man nennt das Subsidiaritätsprinzip. Für Fahrzeug-Inspektionen braucht es keine europäische Vorschrift, auch wenn der TÜV selbst das aus Gründen der Geschäftstüchtigkeit anders sieht.
Sicherheit der Bürger im Großen – nicht im Kleinen
Die Sicherheit der Bürger ist für die EU dennoch ein zentrales Thema, nur größer gedacht. In der Außen- und Verteidigungspolitik gibt es mehr als genug zu tun, die Union muss angesichts der Weltlage zu einer militärischen Macht werden. Jedes Land für sich ist zu schwach, die Zukunft der Nato ungewiss. Die EU kann dazu beitragen, die Mitgliedstaaten in Fragen des Zivil- und Bevölkerungsschutzes resilienter zu machen.
An dieser Stelle hat Brüssel schon geliefert: die 2023 in Kraft getretenen Richtlinien zum Schutz kritischer Infrastrukturen. Sie verpflichten die Mitgliedstaaten, „Einrichtungen zu identifizieren und deren physische Widerstandsfähigkeit gegenüber Bedrohungen wie Naturgefahren, Terroranschlägen oder Sabotage zu stärken“. Sektoren wie Energie, Verkehr, Bankwesen, Finanzmarkt, Gesundheitswesen, Trinkwasser, Abwasser, Digitalnetze, öffentliche Verwaltung und Weltraum einheitlich gegen physische Störungen, Cyberangriffe und letztlich den Verteidigungsfall zu wappnen – das ist nah am Bürger.
Das Problem war in diesem Fall die Ampel-Regierung. Erst im November 2024, dem Monat des Zerfalls der Koalition, verabschiedete das Kabinett mit dem Kritis-Dachgesetz die Umsetzung der Richtlinie. Der Bundestag hat es mithin noch nicht beschlossen. Es ist nun am neu konstituierten Parlament, das schnellstens nachzuholen.
Damit eröffnet sich übrigens auch für den TÜV ein lukratives Aufgabenfeld. Dessen Ingenieure haben große Expertise bei Fragen der Anlagensicherung, Risikoanalyse oder Cybersicherheit. Ob EU, Bundesregierung oder TÜV: Es gilt auf allen Ebenen, Sicherheit nicht im freiheitsbeschränkenden kleinen Karo, sondern groß zu denken – zur Bewahrung unserer Freiheit.
Der Politische Korrespondent Thorsten Jungholt schreibt seit vielen Jahren über Bundeswehr, Sicherheitspolitik und Justiz. Seinen Newsletter „Best of Thorsten Jungholt“ können Sie hier abonnieren.
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