Nach dem tödlichen Angriff auf Touristen im indisch kontrollierten Teil von Kaschmir schaukelt sich der Konflikt zwischen Indien und Pakistan hoch. Die indische Regierung ordnete die Ausweisung aller pakistanischen Staatsangehörigen bis zum 29. April. „Alle pakistanischen Staatsangehörigen, die sich derzeit in Indien aufhalten, müssen Indien vor Ablauf der Visa verlassen“, erklärte das Außenministerium am Donnerstag in Neu Delhi.
Zuvor hatte die indische Regierung bereits die Schließung des wichtigsten gemeinsamen Grenzübergangs sowie die Aussetzung eines Abkommens zur Verteilung von Wasserressourcen beschlossen. Indien reduzierte überdies das diplomatische Personal in seiner Botschaft in Islamabad und verfügte, dass Pakistan die Zahl seiner Diplomaten in Indien verringern muss. Nach dem Angriff vom Dienstag mit mindestens 26 Toten hatte die indische Regierung Pakistan vorgeworfen, es unterstütze in Kaschmir „grenzüberschreitenden Terrorismus“.
Der hochrangige indische Diplomat Vikram Misri verkündete am Mittwoch, als Konsequenz auf den Angriff werde sein Land das Indus-Wasserabkommen mit Pakistan aussetzen. Dies gelte, „bis Pakistan glaubwürdig und endgültig seine Unterstützung für grenzüberschreitenden Terrorismus einstellt“. Das 1960 geschlossene Abkommen regelt die Aufteilung wichtiger Wasserreserven aus Himalaya-Flüssen.
Pakistan schließt Luftraum für indische Airlines
Pakistan reagierte am Donnerstag mit Maßnahmen. Das Land schloss seinen Luftraum für indische Fluglinien. Die Regierung in Islamabad erklärte außerdem mehrere indische Diplomaten zu unerwünschten Personen, die das Land „sofort“ verlassen müssten. Außerdem sollen alle Visa für indische Staatsbürger mit Ausnahme von Sikh-Pilgern annulliert werden, die Grenze soll geschlossen und der Handel ausgesetzt werden.
Jeder Versuch Indiens, durch ein Aussetzen des Indus-Wasserabkommens die pakistanischen Wasserressourcen zu gefährden, werde als „Kriegsakt“ bewertet, hieß es weiter
26 Menschen bei Anschlag getötet
Bei dem Anschlag auf einer Bergwiese in einer beliebten Urlaubsgegend nahe der Stadt Pahalgam im Unionsterritorium Jammu und Kaschmir wurden am Dienstag 26 Menschen getötet, mindestens 17 weitere verletzt. Die meisten von ihnen waren indische Feriengäste. Die Regierung stuft den gezielten Angriff auf Touristen als Terrorakt ein. Indische Medien berichteten, eine islamistische Terrorgruppe mit möglichen Verbindungen zu Pakistan habe den Anschlag für sich reklamiert.
In der Stadt Jammu kam es am Mittwoch zu antipakistanischen Protesten. Die Teilnehmer forderten, dass Terroristen mit Gewalt aus der Region zu vertrieben werden sollen, wie indische Medien berichteten.
Nach dem Anschlag gab es Medienberichten zufolge Hunderte Festnahmen im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs. Wie der Sender NDTV und andere indische Medien unter Berufung auf Informanten berichteten, wurden in der Region im Kontext des Anschlags bislang etwa 1500 Personen festgenommen, um sie zu möglichen Verbindungen zu den Tätern zu befragen. Darunter hätten sich auch Personen befunden, die bereits früher wegen militanten Verhaltens aufgefallen seien, hieß es.
Indiens Verteidigungsminister Rajnath Singh drohte den Tätern und ihren vermeintlichen Hinterleuten mit einer raschen Reaktion. Es werde eine „laute und deutliche Antwort für die Verantwortlichen“ sein, sagte er.
Die Suche nach den Angreifern lief währenddessen auf Hochtouren. Nach Angaben der indischen Streitkräfte beteiligten sich die Armee und die Polizei an der Suchaktion. Die Sicherheitsmaßnahmen im gesamten Kaschmir-Tal seien verstärkt worden, berichtete die Zeitung „Greater Kashmir“. Die Polizei in Kaschmir veröffentlichte am Mittwoch zur Unterstützung der Fahndung Phantombilder von drei mutmaßlichen Angreifern.
Experte: „Neue Krise zwischen Indien und Pakistan“
Die nördliche Himalaya-Region Kaschmir ist seit der Unabhängigkeit Indiens und Pakistans im Jahr 1947 geteilt. Beide Atommächte beanspruchen das Gebiet vollständig für sich und haben schon zwei Kriege um die Kontrolle der Bergregion geführt.
Im der mehrheitlich von Muslimen bewohnten Kaschmir sorgen Aufständische seit Jahrzehnten für Unruhen. Sie fordern die Unabhängigkeit Kaschmirs oder einen Anschluss an Pakistan, das ebenfalls einen Teil des Gebiets kontrolliert. Indien hat eine halbe Million Soldaten in der Region stationiert und geht dort seit 1989 gegen Rebellengruppen vor. Dabei wurden zehntausende Zivilisten, Soldaten und Rebellen getötet.
Indien beschuldigt Pakistan regelmäßig, die bewaffneten Aufständischen zu unterstützen, was Pakistan zurückweist. Die Regierung in Islamabad versichert, dass sie lediglich den Kampf der Menschen in Kaschmir für Selbstbestimmung unterstütze.
Die indische Regierung von Premierminister Narendra Modi hob 2019 die Teilautonomie des Gebiets auf und stellte es unter direkte Kontrolle der Bundesregierung in Neu-Delhi. Seither haben die Kämpfe etwas nachgelassen. Der Experte Michael Kugelman warnte, der Angriff vom Dienstag stelle ein „sehr ernstes Risiko für eine neue Krise zwischen Indien und Pakistan dar und wahrscheinlich das schwerste Risiko seit dem kurzen militärischen Konflikt, der sich 2019 ereignete“.
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