Der britische „Economist“ hat sich in einem aktuellen Artikel mit der Frage beschäftigt, wie es um die Meinungsfreiheit in Deutschland bestellt ist – und kommt dabei zu einem ernüchternden Fazit. Anlass ist der Fall des Publizisten David Bendels, Chefredakteur des AfD-nahen „Deutschland-Kuriers“. Er hatte ein Meme der Bundesinnenministerin Nancy Faeser verbreitet, auf dem sie ein Schild mit dem Satz „Ich hasse die Meinungsfreiheit“ hält. Faeser stellte Strafanzeige. Ein deutsches Gericht verurteilte Bendels Anfang April zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe, einem Bußgeld sowie zu einer öffentlichen Entschuldigung.

Genau diese juristische Reaktion habe dem Fall erst breite Aufmerksamkeit verschafft, so „The Economist“ – und damit den sogenannten „Streisand-Effekt“ ausgelöst: der Versuch, etwas zu unterdrücken, macht es erst recht öffentlich bekannt. Zahlreiche Nutzer verbreiteten das Meme nach dem Urteil erneut, teils in noch drastischeren Varianten.

Der britische Artikel verweist auf die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit in Deutschland, die auch Bilder einschließe.

Zugleich wird daran erinnert, dass es im deutschen Recht Tradition hat, diese Freiheit mit anderen Schutzgütern abzuwägen – etwa dem Persönlichkeitsrecht oder dem Schutz der demokratischen Ordnung.

So seien etwa Holocaustleugnung und Nazi-Propaganda seit Jahrzehnten strafbar. Seit 2021 erlaubt ein verschärftes Gesetz zudem, politische Beleidigungen strenger zu bestrafen, wenn sie die Arbeit von Mandatsträgern „erheblich beeinträchtigen“.

Im Fall Bendels urteilte das Gericht, ein „neutraler Betrachter“ könne nicht erkennen, dass es sich bei dem Bild um eine Satire handele – ein fragwürdiges Argument, so „The Economist“. Das Urteil habe „viele Beobachter schockiert, dessen Verfassung die freie Meinungsäußerung und -verbreitung garantiert, was ausdrücklich auch Bilder einschließt“, so der „Economist“.

Das Magazin kritisiert in diesem Zusammenhang auch Pläne der Bundesregierung, eine Medienaufsicht zu schaffen, die gezielt gegen „falsche Tatsachenbehauptungen“ vorgehen soll – ein Vorhaben, das Kritiker bereits als „Lügenverbot“ bezeichnen.

Zunehmendes Unbehagen in der Bevölkerung

Das britische Magazin bezieht sich zudem auf Umfragedaten des Instituts Allensbach. Demnach gaben im Jahr 2024 nur noch 40 Prozent der Deutschen an, das Gefühl zu haben, ihre Meinung frei äußern zu können – ein Rückgang um die Hälfte seit 1990.

„Kein Wunder, dass es zu Grenzüberschreitungen gekommen ist“, kommentiert „The Economist“ und verweist auf weitere Fälle: etwa die Hausdurchsuchung bei einem Rentner, der Wirtschaftsminister Robert Habeck auf der Plattform X als „Schwachkopf“ bezeichnet hatte, oder das – später aufgehobene – Urteil gegen einen Journalisten, der Habeck mit „Bahnhofsalkoholikern“ verglich.

Besonders interessant: Laut „The Economist“ richten sich Maßnahmen gegen missliebige Meinungsäußerungen nicht ausschließlich gegen rechte Akteure. Auch linke propalästinensische Aktivisten seien von Einschränkungen betroffen. So seien in Berlin Demonstrationen und Konferenzen aufgelöst worden, Hochschuldozenten hätten wegen ihrer Unterstützung palästinensischer Studierender Konsequenzen fürchten müssen.

Der Artikel betont abschließend: Die Gefahr für die Meinungsfreiheit komme „nicht nur aus einer Richtung“. Damit reiht sich Deutschland laut „The Economist“ zwar nicht in autoritäre Staaten ein – doch das Land bewege sich in einer Grauzone, in der staatliche Eingriffe zunehmend politische Kritik und Satire treffen könnten.

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