Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl hat noch während seiner Regierungszeit (1982 bis 1998) dafür gesorgt, dass peinliche Zitate aus den Verhandlungen über die deutsche Einheit 1990 nicht veröffentlicht wurden. Das zeigen Recherchen des „Spiegel“ in Akten des Bundesarchivs.
Es geht um Fehleinschätzungen und scharfe Urteile Kohls in Gesprächen mit ausländischen Politikern. So hatte der Kanzler über den tschechoslowakischen Präsidenten Václav Havel gesagt, dieser verstehe „von Politik im Detail nichts“ und solle als Staatschef der Tschechoslowakei besser nur eine „Übergangszeit“ amtieren. Doch Havel wurde nach dem Zerfall der Tschechoslowakei 1993 auch noch Präsident Tschechiens und residierte bis 2003 auf der Prager Burg – da war Kohl längst abgewählt.
Auch im Fall der Ukraine, die 1990 noch zur Sowjetunion zählte, lag Kohl daneben. Die Ukraine sei „ein Herzstück des Landes“, eine Unabhängigkeit Kiews ausgeschlossen, so Kohl zu Frankreichs Staatspräsidenten François Mitterrand. Knapp zwei Jahre später war die Sowjetunion zerfallen, und die Ukraine hatte ihre Souveränität erlangt.
Der Kanzler, gläubiger Katholik, nahm der katholischen Kirche Polens und ihrem Primas Józef Glemp übel, dass sie Stimmung gegen die Einheit und die deutsche Minderheit in Polen machten: Glemp und das Episkopat würden eine „ungute Rolle“ spielen. Kohl hat nach eigenen Angaben sogar Papst Johannes Paul II. darauf angesprochen.
Die bislang unbekannten Zitate stammen aus Dokumenten, die Kohl vor der Bundestagswahl 1998 in einer „Sonderedition“ der Bundesregierung veröffentlichen ließ. Sie enthielt Hunderte Schlüsseldokumente zur Einheit und sorgte weltweit für Aufsehen. Allerdings wurden in mehreren Dutzend Fällen einzelne Wörter, Sätze oder auch längere Passagen aus den Papieren ausdrücklich „nicht freigegeben“. Offenkundig wollte Kohl vermeiden, dass brisante Äußerungen öffentlich bekannt wurden.
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