Die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin überraschend verkündete 30-stündige Waffenruhe über Ostern hat die Lage in der Ukraine nicht nachhaltig verändert. Im Gegenteil: Russland startete am Montag eine Reihe von weiteren Angriffen aus der Luft. Die Regionalgouverneure von Dnipropetrowsk und Mykolajiw, Serhij Lysak und Vitali Kim, berichteten im Onlinedienst Telegram von Attacken mit Drohnen und Raketen. Verletzte und Tote gab es nach ersten Angaben nicht.

Schon zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Russland mehr als 2000 Verstöße gegen die Waffenruhe vorgeworfen. Seinem Vorschlag, die Waffenruhe auf 30 Tage auszuweiten, war der russische Präsident Putin zuvor nicht gefolgt.

Der Fraktionsvize der Union Johann Wadephul, der auch als zukünftiger Außenminister gehandelt wird, sagte WELT: „Es ist offenkundig, dass Putin auf Zeit spielt. Nachdem die Ukraine ihre Bereitschaft zur unkonditionierten Waffenruhe und zu Verhandlungen bekundet hat, ist Putin jetzt an der Reihe. Der Ball liegt in seinem Spielfeld.“ Wadephul forderte, für die nächsten Monate stärker eine „gemeinsame europäische Position“ nach außen hin zu formulieren.

„Sicher wünscht sich niemand sehnlichster Frieden als die Menschen in der Ukraine“, sagte die Co-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann. „Aber wir sehen jeden Tag, dass Putin nicht aufhört, dieses Land zu zerbomben, zivile Ziele, Infrastruktur und Leben des Landes angreift und zerstört. Das sei erschütternd. „Die Souveränität der Ukraine muss gewahrt bleiben, deshalb kann es keinen Diktatfrieden geben. Unsere Verantwortung bleibt es, die Ukraine weiter zu unterstützen – humanitär, wirtschaftlich und mit Waffen – und den Frieden hier in Europa zu sichern.“

Anders sieht der außenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Matthias Moosdorf, die Lage. „Die vergangenen Monate haben die Position der Ukraine weiter geschwächt. Russland möchte und braucht deswegen nach Lage der Dinge keine Zugeständnisse in wichtigen Fragen zu machen.“ Er rechne „trotz allem“ mit einer Entwicklung in Richtung Waffenstillstand und Frieden in den nächsten Wochen.

Der Knackpunkt zukünftiger Gespräche sei „die Anerkennung von Gebieten als russisch, dort vor allem der bisher nicht besetzten, zum Beispiel Odessa“. Er forderte unter anderem, dass „Waffenlieferungen und Sanktionen“ enden müssten, „um das Sterben zu beenden“.

„Die Feuerpause über die Ostertage – so brüchig sie leider auch war – war immerhin ein wichtiges Zeichen“, sagte der Fraktionschef der Linken, Sören Pellmann. „Die Linke begrüßt erst einmal grundsätzlich jede Friedensinitiative im Ukrainekrieg. Wie ernst es dann jede Seite wirklich meint, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.“ Er hoffe auf weiteres „diplomatisches Handeln“.

Zumindest US-Präsident Donald Trump setzt nach eigenen Angaben auf ein baldiges Abkommen zur Beendigung der Kämpfe in der Ukraine. „Hoffentlich werden Russland und die Ukraine diese Woche ein Abkommen schließen“, schrieb Trump am Ostersonntag in seinem Onlinedienst Truth Social, ohne weitere Angaben zu möglichen Fortschritten in den Verhandlungen über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs zu machen. Beide Ländern könnten anschließend „große Geschäfte mit den Vereinigten Staaten von Amerika machen“.

Entscheidung „in sehr kurzer Zeit“

Unklar blieb, worauf sich Trumps neuer Optimismus gründete. Am Freitag hatte er noch mit einem Ausstieg der Vereinigten Staaten aus den Ukraine-Verhandlungen gedroht. Wenn die Ukraine oder Russland die Gespräche sehr schwierig machten, würden die USA auf ihre Teilnahme verzichten, sagte Trump. Er deutete eine Entscheidung „in sehr kurzer Zeit“ an.

US-Außenminister Marco Rubio hatte sich zuvor ähnlich geäußert. In einem Telefonat mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte sagte er am vergangenen Freitag, dass „die Vereinigten Staaten ihre Bemühungen um die Vermittlung eines Friedens einstellen werden, wenn nicht bald ein klarer Weg zum Frieden erkennbar wird“.

Trump hatte noch im Wahlkampf zunächst erklärt, er könne den Ukrainekrieg binnen 24 Stunden beenden. Später nannte er sechs Monate als Zeitspanne. Trump hatte am 12. Februar nach einem Telefonat mit Kreml-Chef Putin einen „unverzüglichen“ Beginn von Gesprächen vereinbart.

Verhandlungen mit Vertretern Russlands und der Ukraine Ende März in Saudi-Arabien brachten aber keinen Durchbruch. Putin lehnte einen von den USA und der Ukraine vorgelegten Vorschlag für eine bedingungslose Waffenruhe ab.

Aus China hieß es am Montag, Peking begrüße „alle Bemühungen“ um eine Einstellung der Kämpfe. Eine Waffenruhe sei ein notwendiger Schritt auf dem Weg zum Frieden, sagte Außenamtssprecher Guo Jiakun.

Korrespondent Philipp Woldin kümmert sich bei WELT vor allem um Themen der inneren Sicherheit und berichtet aus den Gerichtssälen der Republik.

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