Die deutschen Ermittlungsbehörden stufen derzeit 575 Personen als Gefährder ein. Die mit Abstand größte Gruppe machen die Gefährder aus dem Bereich der „religiösen Ideologie“ aus, dabei handelt es sich gemeinhin um Islamisten. Mit Stand 1. April waren 458 Personen so klassifiziert. Das teilte das Bundeskriminalamt (BKA) auf Anfrage von WELT AM SONNTAG mit.
Damit verzeichnet das BKA mit Blick auf islamistische Gefährder einen leichten Rückgang. Zum 1. August 2024, vor acht Monaten, hatte die Behörde noch 472 Personen in der Kategorie „religiöse Ideologie“ geführt.
Ein „Gefährder“ ist laut Definition des BKA „eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung (...) begehen wird“. Das BKA führt derzeit 74 Personen als rechtsextreme Gefährder und zehn aus dem linksextremen Spektrum. Die Zahl bei den Rechtsextremisten ist damit konstant, in der linken Szene leicht rückläufig (August 2024: 13 Gefährder). 13 Personen ordnet das BKA der Kategorie „ausländische Ideologie“ zu, 20 Gefährder fallen unter „sonstige Zuordnung“. Die Zahlen sind insgesamt leicht abflauend. Anfang 2023 galten laut BKA 608 Menschen als Gefährder.
Dennoch bleibt das Bedrohungspotenzial über alle Phänomenbereiche hinweg hoch. Das Bundesamt für Verfassungsschutz warnte im jüngsten Jahresbericht vor einer großen Dynamik in der islamistischen Szene als Folge des Nahost-Konflikts.„Islamistische Propaganda fördert nicht nur antisemitisches Gedankengut, sie fordert auch oftmals direkt dazu auf, diesen Gedanken konkrete Taten folgen zu lassen“, heißt es in dem öffentlichen Dokument.
Nach dem 7. Oktober 2023 seien mehrere Terroranschläge in europäischen Ländern erfolgt. Der Umstand, dass sich die Täter dabei auf den Nahost-Konflikt bezogen, lasse den Schluss zu, dass die gegenwärtige islamistische Propaganda eine signifikante Wirkung auf ihre Anhängerschaft entfalte. Erst am Dienstag nahmen Polizisten in Berlin-Neukölln wieder einen Mann fest, der im Libanon an einem Waffentraining der Hisbollah teilgenommen haben soll.
Auch die linksextreme Szene steht weiter im Fokus. Für den gewaltorientierten Linksextremismus stelle die Polizei, stellvertretend für den demokratischen Staat als Ganzes, das zentrale Feindbild dar, erklärt der Verfassungsschutz. Auch in der rechtsextremen Szene beobachtete die Behörde zuletzt Mobilisierungserfolge.
Mehrere relativ neu entstandene rechtsextreme Gruppierungen seien 2024 mit Störaktionen gegen Veranstaltungen zum „Christopher Steet Day“ in Erscheinung getreten, teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz zuletzt auf Anfrage von WELT AM SONNTAG mit. „Diese mobilisierungsstarken und gewaltorientierten rechtsextremistischen Gruppierungen konzentrieren sich insbesondere in den sozialen Medien auf die Werbung von jungen, internetaffinen, aktionsorientierten bis hin zu gewaltorientierten Personen.“ Innerhalb kurzer Zeit seien „sehr dynamische“ Strukturen entstanden, die den Schulterschluss mit größeren Akteuren der Szene suchten.
Was den Behörden Sorgen bereitet, ist die Anzahl offener Haftbefehle gegen politisch motivierte Straftäter. Mit dem Stichtag 30. September 2024 fahndete die Polizei gegen 555 Rechtsextremisten mit dem Ziel der Festnahme. In der linksextremen Szene bestand gegen 81 Personen ein offener Haftbefehl, vier davon wurden wegen Terrorismusdelikten gesucht, ihr Aufenthaltsort war zum Zeitpunkt der Erfassung unbekannt.
In der islamistischen Szene wurde sogar gegen 453 Personen gefahndet, 226 Personen wurden Terrorismusdelikte zur Last gelegt. Rund 97 Prozent hielten sich nach Kenntnis des BKA im Ausland auf. 18 Personen wurden wegen Spionage oder Staatsterrorismus gesucht. Zahlen zu offenen Haftbefehlen für 2025 liegen bisher nicht vor.
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