Überschattet von Streit über ein angemessenes Gedenken ist in Brandenburg an die Opfer der Schlacht auf den Seelower Höhen vor 80 Jahren erinnert worden. Daran nahm auch der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, teil – ohne explizit eine Einladung erhalten zu haben.

Das Auswärtige Amt hatte davor in einer Handreichung an Länder, Kommunen und Gedenkstätten davon abgeraten, dass Vertreter von Russland und Belarus bei Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs dabei sind. Begründet wurde dies mit der Sorge vor einer Instrumentalisierung des Gedenkens. Hintergrund ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine.

Doch die Veranstalter des Gedenkens, der Landkreis Märkisch-Oderland und die Stadt Seelow, ließen Botschafter Netschajew und den Gesandten von Belarus, Andrej Schupljak, trotz fehlender Einladung teilnehmen und begrüßten sie freundlich.

Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev bezeichnete es im Interview mit WELT als unangebracht, wenn „ein Vertreter eines Verbrecherregimes“, das sein Land „jeden Tag mit Raketen, Bomben und Drohnen angreift“, am Gedenken an die Kriegsopfer teilnimmt.

Die Historikerin Franziska Davies sagte im WDR-Hörfunk, ein gemeinsames Gedenken mit Vertretern Russlands gehe derzeit „eindeutig nicht“. Das Land führe einen „genozidalen Krieg gegen die Ukraine“ und missbrauche das Weltkriegsgedenken, um diesen Krieg zu legitimieren. Die Empfehlung des Auswärtigen Amtes sei vor diesem Hintergrund „vollkommen richtig“. Ein gemeinsames Gedenken mit Vertretern eines „faschistoiden, kolonialistischen“ Landes, das gerade selbst Krieg führt, werde den Opfern nicht gerecht.

Davies betonte zugleich, es müsse daran erinnert werden, dass der Sieg der Roten Armee 1945 zum Ende des NS-Regimes geführt und die Rote Armee die vom deutschen Besatzungsregime im östlichen Europa errichteten Konzentrations- und Vernichtungslager befreit hat. Die sowjetische Armee sei jedoch keine russische, sondern eine multinationale, multiethnische Armee gewesen, in der auch zahlreiche Ukrainer gekämpft hätten.

Kritik an Schreiben des Auswärtigen Amts

Bei den Amtsträgern in Brandenburg kam die Handreichung des Auswärtigen Amts hingegen nicht gut an. Die brandenburgische SPD-Landtagsabgeordnete Sina Schönbrunn aus Seelow kritisierte das Schreiben als „recht absurd“. Zwar könne sie die Sorge des Außenministeriums verstehen, sagte sie im RBB-Inforadio. Sie finde es jedoch „unsinnig“, den Vertreter eines Landes auszuschließen, der seiner getöteten Landsleute gedenken wolle. Man könne auch nicht vom Hausrecht Gebrauch machen, wenn jemand seiner gefallenen Landsleute gedenken wolle.

Der kulturpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Götz Frömming, kritisierte, dass in Seelow keine Vertreter der Bundes- und Landesregierung an der Gedenkfeier teilgenommen hätten. Dies widerspreche dem Gedanken der Völkerverständigung. Man wisse, wie viel Leid das NS-Regime über andere Länder gebracht habe. Es sei wichtig, sich „über den Gräbern die Hand zu reichen und zu sagen ‚Nie wieder‘“.

Auf den Seelower Höhen standen sich im April 1945 hunderttausende Soldaten der sowjetischen Roten Armee und der NS-Wehrmacht gegenüber. Am 19. April endeten die Kämpfe mit dem Sieg der sowjetischen Truppen. In der Einladung des Landkreises zum Gedenken hieß es unter anderem, es solle „der Opfer der Schlacht um die Seelower Höhen gedacht und die Erinnerung an die Schrecken des Krieges wachgehalten werden“.

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