Das britische Englisch und das amerikanische Englisch haben sich in knapp 250 Jahren politischer Trennung ähnlich auseinanderentwickelt wie die deutsche und die österreichische Variante des Standarddeutschen. Die „American Dialect Society“, eine Wissenschaftlervereinigung, die das in Nordamerika gesprochene Englisch untersucht, wurde schon 1889 gegründet.

Spätestens Anfang der 1960er-Jahre erfuhr dann Großbritannien die linguistische Rache der ehemaligen Kolonie: Die Beatbands, die ihre musikalische Inspiration von amerikanischem Rock ’n’ Roll und Rhythm and Blues bezogen, imitierten ihre Vorbilder auch sprachlich. Vor allem Sänger bluesorientierter Gruppen wie Rolling Stones versuchten, nicht mehr zu klingen wie die weißen Mittelständler, die sie waren, sondern wie schwarze Wandermusiker aus dem amerikanischen Süden. Der Autor Nik Cohn, der eine lesenswerte Geschichte der frühen Popmusik geschrieben hat, sprach ironisch von den Blues-Barden aus dem „Dagenham-Delta“. Dagenham ist eine Industriestadt östlich von London.

Die immer wieder über den Atlantik schwappenden Wogen der Popkultur haben seitdem stets neue amerikanische Ausdrücke ins britische Englisch geschwemmt. Dealer (für einen Drogenhändler) und Junkie (für einen Süchtigen) waren ursprünglich reiner US-Wortschatz – genauso wie natürlich der gesamte Hip-Hop-Slang. Auch die Digitalisierung hat solche Importe beflügelt: Die Wörter Bug, Mouse oder ATM (für einen Geldautomaten) wurden in Amerika geprägt. Mittlerweile nutzen sie auch Briten – genauso wie das Alltagswort awesome.

Doch seit einigen Jahren scheint sich der einseitige linguistische Verkehr ein wenig umzukehren. Der britische „Guardian“ berichtet – mit einem milde triumphierenden Unterton –, dass die Generation Z in den USA zunehmend „Britishisms“ nutzt. Bei Britishism oder Britizismus handelt es sich um einen linguistischen Terminologiebegriff für Wörter aus dem dezidiert britischen Wortschatz – analog zu für den deutschen Sprachraum verwendeten Ausdrücken wie Helvetismus (Wort aus dem Schweizer Standarddeutsch) oder Austriazismus (Wort aus Österreich).

Entdeckt und belegt haben den Trend Forscher der Northern Arizona University anhand von Datenmaterial, das ihnen die Sprachlernplattform Babbel zur Verfügung gestellt hat. Mithilfe einer Datenbank namens „Lancaster-Northern Arizona Corpus of American Spoken English“ – einem Gemeinschaftsprojekt mit der britischen Lancaster University – analysierte das Team 1000 Stunden gesprochenes amerikanisches Englisch, das zwischen Januar 2023 und Oktober 2024 aufgezeichnet wurde. Dabei identifizierten sie die am häufigsten verwendeten Britizismen im amerikanischen Englisch.

Am häufigsten wurde bonkers verwendet. Es bedeutet absurd und wird laut Babbel auf Themen aus den Bereichen Politik, Sport und Internettrends angewendet. Das Wort soll sich von bonk ableiten, was Schlag auf den Kopf bedeutet, und erschien erstmals 1943 im Oxford English Dictionary. Bereits 1965 tauchte der Begriff in den USA auf, und zwar in einem Artikel der „New York Times“, in dem eine Filmfigur beschrieben wurde, und seit den 2000er-Jahren ist er in den USA weit verbreitet.

Zu den Top Ten der Britizismen gehören auch amongst (statt among), dessen Gebrauch sich in den letzten vier Jahrzehnten in den USA vervierfacht hat, queue für eine Warteschlange – echt amerikanisch ist line – und cheers (im Sinne von danke).

Manchmal unterscheidet nur ein Buchstabe die britische von der US-Variante: Britisches maths statt dem einfachen math setzt sich in den USA mehr und mehr durch. Überraschend für manchen Deutschen dürfte sein, dass ein Wort wie keen (eifrig), das viele für allgemein-englisch halten, offenbar auch ein Britizismus ist. Das ändert sich gerade. Immer mehr junge Amerikaner verwenden es.

Die Ursache dafür, so der Babble-Linguist Esteban Touma, den der „Guardian“ zitiert, sei, dass Amerikaner durch die Digitalisierung häufiger mit britischem Englisch in Berührung kommen – durch soziale Medien, britische Serien, aber auch den großen Erfolg, den in London ansässige Medien wie die „Daily Mail“ und nicht zuletzt der „Guardian“ in den USA haben.

Den Trend hat bereits vor den neuen Untersuchungsergebnissen der amerikanische Autor Ben Yagoda in seinem Buch „Gobsmacked! The British Invasion of American English“ beschrieben. Er führt die Durchsetzung bestimmter Britizismen in Amerika auf reinen Darwinismus zurück – die neuen Wörter seien besser, nützlicher und lebenspraller: „Gobsmacked ist viel farbiger als suprised.“

Noch ist nicht abzusehen, welche Auswirkungen die zunehmende Britischisierung des amerikanischen Englischs auf die Filmindustrie haben werden. In amerikanischen Filmen wird britisch klingendes oder auch nur gehoben theatermäßiges, irgendwie shakespearisch oder versnobt anmutendes Englisch gerne als Kennzeichen von hochnäsigen Eliten eingesetzt. Das war bei den Vertretern des Imperiums in „Star Wars“ oft so und auch beim Establishment der Hauptstadt in den „Hunger Games“-Filmen. Es ist auch kein Zufall, dass man den hochkultivierten Massenmörder Hannibal Lecter in „Das Schweigen der Lämmer“ von einem Briten spielen ließ: Anthony Hopkins, der gerade wie in der Serie „Those About to Die“ den römischen Kaiser Vespasian darstellte.

Ohnehin werden Römer-Rollen in Hollywood seit der Einführung des Tonfilms bevorzugt britischen Schauspielern anvertraut. Es gilt die Regel: Je höher auf der sozialen Skala im Alten Rom, desto wahrscheinlicher ist, dass der Darsteller sein Handwerk im britischen Theater gelernt hat. Das hat natürlich mit Shakespeare zu tun, aber der Welterfolg einer BBC-Serie wie „I Claudius“ in den Sechzigerjahren hat den Effekt ebenso verstärkt und aufgefrischt wie der Monty-Python-Film „Das Leben den Brian“, wo Mark Capman den Oberrömer Bickus Prickus (Schwanzus Longus in der deutschen Synchronfassung) wie einen typischen blasierten und degenerierten englischen Aristokraten spielt.

Oft wird der Akzent auch als subtiles Unterscheidungsmerkmal genutzt: In „Julius Caesar“ aus dem Jahre 1953, der auf Shakespeares Drama beruht, sind die Sympathieträger Amerikaner: Marlon Brando als Antonius und Louis Calhern als Caesar, die Caesarmörder sind Briten, darunter John Gielgud als Cassius.

Inwieweit ein jüngeres US-Publikum diese Codierung durch Akzent noch begreift, wird sich zeigen. Denn jüngere Amerikaner nutzen nicht nur häufiger britische Ausdrücke, sie klingen auch immer häufiger selbst wie Briten. Und schuld ist Peppa Wutz. Während der Corona-Pandemie als gerade kleine Kinder noch häufiger als sonst mit stundenlangem Fernsehen ruhig gestellt wurden, bemerkten amerikanische Eltern besorgniserregende linguistische Mutationen bei ihrem Nachwuchs: Die Kleinen hatten sich mit „Peppa Pig“ (so der Originaltitel der britischen Serie) einen englischen Akzent angewöhnt. Nun suchten die Eltern nach Mitteln, diese Sprachbesonderheit, die sie mit Verwöhntheit und Snobismus identifizierten, den Kindern wieder abzugewöhnen. Doch wenn die Kids dann ein paar Jahre später bei den Harry-Potter-Filmen landeten, dürfte die Akzentprägung sich eher noch verstärkt haben.

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