In "Im Wahn" lässt der NDR Mensch gegen Maschine antreten und stellt ob aktueller Entwicklungen die Frage: Hat Künstliche Intelligenz etwas in der Polizeiarbeit verloren? Und wenn ja, wie viel?

Als Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) in seinem neuesten Fall am Hauptbahnhof Hannover ankommt, fühlt er sich wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Zwei Menschen wurden erstochen, es gibt kaum Spuren, und statt auf klassische Ermittlungsarbeit zu setzen, greift seine Vorgesetzte zum neuesten technologischen Wundermittel: Die KI-Software Kroisos soll den Täter finden. Und tatsächlich spuckt der Algorithmus nach kurzer Zeit einen Namen aus: René Kowalski, psychisch krank, vorbestraft - der perfekte Verdächtige. Zu perfekt, findet Falke.

Was im neuen "Tatort" als fiktive Zukunftstechnologie daherkommt, hat längst Einzug in die reale Polizeiarbeit gehalten. "Die hessische Polizei nutzt seit 2018 die Analysesoftware 'Gotham' der US-Firma Palantir", erklärt Drehbuchautor Georg Lippert. "Das Programm wertet Daten zu Personen, Orten und Ereignissen aus, die an sich unauffällig sind, aber in der Summe ein Muster ergeben." Was ihn besonders aufhorchen ließ: "Palantir warb damals mit dem Slogan: 'Hätte man unsere Software früher verwendet, hätte es 9/11 nicht gegeben'. Das ist eine so starke Ansage, dass wir neugierig wurden: Was steckt dahinter?"

Mensch gegen Maschine?

Der Film inszeniert den klassischen Konflikt zwischen menschlicher Intuition und maschineller Effizienz. Während die KI in Sekundenschnelle Bewegungsprofile, Social-Media-Posts und Behördenkontakte auswertet, verlässt sich Falke auf sein Bauchgefühl und seine Menschenkenntnis. Ein ungleicher Kampf, könnte man meinen - doch Lippert wollte bewusst keine einseitige Geschichte erzählen: "Es war uns wichtig, das Tool nicht zu verteufeln. Wir erzählen ja keine 'Terminator'-Geschichte, in der eine Technologie außer Kontrolle gerät."

Stattdessen zeigt der Film die Ambivalenz moderner Überwachungstechnologie. "Tatsächlich ist die Software wahnsinnig effizient", sagt Lippert. "Aber es birgt auch Gefahren, wenn man die ureigene staatliche Aufgabe der Bekämpfung von Straftaten in private Hände gibt. Es war dieser schmale Grat zwischen Nutzen und Risiken, der uns interessiert hat."

Ein 2017 auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verübter Sprengstoffanschlag diente als Vorbild für "Im Wahn". Damals wollte der Attentäter auf den fallenden Börsenwert des Klubs wetten und wäre damit buchstäblich über Leichen gegangen, um den Kurs der BVB-Aktie zu drücken. Im Film wird diese Idee weitergesponnen: Der Software-Anbieter von Kroisos wird Opfer einer Kursmanipulation - mit tödlichen Folgen.

Die Grenzen der künstlichen Intelligenz

Hauptdarsteller Wotan Wilke Möhring sieht in seinem Charakter Falke den perfekten Gegenpol zur kalten Logik der Maschine: "Anders als die KI ist ihm bewusst, dass Menschen spontan handeln und Verbrechen auch aus dem Affekt geschehen. Eine Rechenmaschine kann nur Schlüsse ziehen innerhalb einer Datensammlung. Sie ist immer inhuman. Es gibt keine Ausnahmen und null Verständnis. Die Essenz dessen, was Falke mit der Polizeiarbeit verbindet, ist das Gegenteil von KI."

Während der Algorithmus nur innerhalb seiner programmierten Parameter funktionieren kann, besitzt Falke die Fähigkeit, um die Ecke zu denken, Muster zu erkennen, die nicht in Datenbanken erfasst sind, und vor allem: zu zweifeln. "Falke findet eine kluge Haltung dazu", erklärt Lippert. "Weder lehnt er das Programm total ab, aus irgendwelchen ideologischen Gründen, noch lässt er sich blenden. Er schaut, was ihm bei der Aufklärung des Falls nützlich sein kann, wartet ab und bleibt wachsam."

Am Ende steht die Erkenntnis, dass selbst die beste KI nur so gut sein kann wie die Menschen, die sie programmieren und ihre Ergebnisse interpretieren. "Falke ist ein Gesamtpaket", resümiert Möhring, "und alles, was er braucht, ist ein bisschen Freiheit, um die Dinge in die Hand zu nehmen."

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