Totone feiert gern, das sehen wir direkt zu Beginn des Films während einer Viehschau: Unter den rhythmischen Anfeuerungsrufen der Umstehenden steigt der junge Mann auf einen Tisch und zieht sich aus, bis er splitternackt ist. «Vingt dieux!» entfährt es einem Zuschauer. Ein Ausruf der Verwunderung, der noch ein paarmal fallen wird in diesem starken und wunderschönen Film.
Ungewollte Verantwortung
Totone, der eigentlich Anthony heisst, lebt in einem kleinen Dorf im französischen Jura mit seinem Vater – einem Käser – und seiner siebenjährigen Schwester. Und er lebt sprichwörtlich in den Tag hinein.
Dann verunglückt sein Vater. Totone, mit seinen 18 Jahren bereits volljährig, muss allein klarkommen. Verantwortung muss er nicht nur für sein Leben, sondern auch für das seiner kleinen Schwester übernehmen. Obwohl er die Käsereiausrüstung und den Familientraktor verkauft, hat Totone Geldsorgen. Als er erfährt, dass man mit einem guten Comté an einem Wettbewerb bis zu 30'000 Euro gewinnen kann, beschliesst er, den besten Käse der Region zu machen.
Viehschauen, Töfflibuben und Käserei
Die 31-jährige Filmemacherin Louise Courvasier kennt die Menschen im Jura gut. Dass sie von dort kommt, merkt man dem Film an. Alles wirkt authentisch: die Viehschauen, die Stockcar-Rennen, die Comté-Käsereien. «Vingt dieux» ist das glaubwürdige Charakterbild einer Gegend und einer Generation, die nur verloren scheint.

Totone und seine Freunde mögen zwar jugendlich leichtsinnig erscheinen, aber wenn es wirklich darauf ankommt, sind sie füreinander da. So verkauft etwa Totones bester Freund Jean-Yves seinen liebevoll zusammengebauten Stockcar, damit Totone seinen Traktor zurückkaufen kann.
Der Menschenschlag in dieser abgelegenen ländlichen Gegend ist überhaupt ziemlich hart im Nehmen: Auf Tod und Verlust reagieren sie verhalten, ja fast gelassen. Geht es aber um jugendliche Liebe, kochen die Emotionen auch mal über.
Grossartige Laiendarsteller aus der Region
Totone macht im Lauf des Films eine erstaunliche Wandlung durch. Ist er zunächst noch ein wilder, etwas verlorener Partygänger, kümmert er sich nach dem Tod des Vaters liebevoll um seine Schwester, verliebt sich zum ersten Mal ernsthaft in die leicht ältere Jungbäuerin Marie-Lise. Auch diese Figur unterläuft jedes Stereotyp.

Die Darsteller im Film sind allesamt Laien, Courvoisier hat sie in der Region gecastet. Clément Faveau, der Totone spielt, hat vorher auf einer Geflügelfarm gearbeitet, Maïwenn Barthélemy, die Darstellerin der Marie-Lise, studierte an der Landwirtschaftlichen Schule – und obwohl sie nie zuvor gespielt hatte, hat sie den französischen Filmpreis César als beste Nachwuchsschauspielerin gewonnen.
Vingt dieux! Was für ein schöner Film!
Das Kino-Début der jungen Regisseurin aus Frankreich ist einer der schönsten Filme des bisherigen Kinojahres – und die Courvoisier eine aufregende Neuentdeckung im europäischen Kino.
Ohne rosarote Brille, echt und rau und dennoch mit Lebensfreude, Witz und Zärtlichkeit zeigt sie in «Vingt dieux» die nicht einfache Lebensrealität in einer bäuerlichen Randregion. Nicht zuletzt ist der Film auch visuell ein Fest, voller Licht und Farbe. «Vingt dieux!» möchte man ausrufen, was für ein wunderbarer Film!
Kinostart: 17.4.2025
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