Wie das Kaninchen vor der Schlange wirkten bis Anfang der Woche die Bildungstempel der amerikanischen Ostküste, denen die US-Regierung gedroht hatte, öffentliche Fördergelder in Millionen- oder gar Milliardenhöhe zu streichen. Der Vorwurf: seit dem 7. Oktober 2023 zu wenig für die Sicherheit jüdischer Universitätsangehöriger getan zu haben.
Nicht, dass sie alle gleich passiv auf Washingtons Offensive reagiert hätten. Christopher Eisgruber etwa, Präsident der Princeton University, sagte, man wolle sich ans Gesetz halten. Da schwang mit, dass das, was staatlicherseits nun vis-à-vis der Ivy League geschieht, so gesetzeskonform nicht ist. Harvard-Professoren hatten ganz in diesem Sinne bei einem Bostoner Gericht eine Klage eingereicht, in der stand, die Regierung versuche, akademische Freiheit und freie Meinungsäußerung zu untergraben.
Eine neue Taskforce gegen Antisemitismus hatte vor einigen Wochen angekündigt, einen genaueren Blick auf die sagenhaften 9 Milliarden Dollar zu werfen, die die Universität in Cambridge, Massachusetts, aus öffentlicher Hand erhält. Keine der Elite-Unis im Fadenkreuz der Trump-Regierung aber war so weit eingeknickt wie die Columbia University in New York. Nachdem 400 Millionen Dollar eingefroren worden waren, setzte man zügig fast alle Regierungsforderungen um, stellte etwa 36 neue Campus-Polizisten ein und installierte einen Aufpasser für die Nahost-, Südasien- und Afrikastudien sowie das Zentrum für Palästinastudien.
Doch die Millionen flossen nicht wieder. Stattdessen sprach die Regierung von einem „ersten Schritt“. Gibt man ihr den kleinen Finger, will sie vielleicht die ganze Hand – das mag die Entscheidung Harvards grundiert haben, am Montag deutlich zu machen, wo man die Grenzen staatlicher Eingriffe in die institutionelle Autonomie sieht.
Vorausgegangen waren neue Forderungen: Die „Macht“ von Lehrkräften, die sich eher „dem Aktivismus als der Wissenschaft verpflichtet fühlen“ solle beschränkt, eine Diversität der Perspektiven gefördert und das, genau wie potenziell antisemitische Lehrinhalte, unabhängig evaluiert werden. Störungen wären zu ahnden, auch polizeilich, ausländische Studenten stärker zu überwachen – sowie die Förderung von Diversität, Gleichstellung und Inklusion einzustellen.
Stipendien reduzieren, um an der Spitze zu bleiben
„Keine Regierung – unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist – sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie zulassen, einstellen und welchen Studien- und Forschungsbereichen sie nachgehen dürfen“ konterte Harvard-Präsident Alan Garber.
Aug’ in Aug’ mit der Trump’schen Boa disruptor war gewiss ein besonders starker Player gefragt: „Die Harvard-Universität ist 140 Jahre älter als die USA, verfügt über ein Vermögen, das größer ist als das Bruttoinlandsprodukt von fast 100 Ländern, und hat acht amerikanische Präsidenten ausgebildet. Wenn sich also eine Institution gegen den Krieg der Trump-Regierung gegen die Wissenschaft wehren würde, stünde Harvard ganz oben auf der Liste“ schrieb die „New York Times“ dann auch – Harvards Stiftungsvermögen beläuft sich auf 53,2 Milliarden US-Dollar.
Dass aber selbst Harvard allein kaum bestehen kann, wird aber dadurch deutlich, dass Garber ganz allgemein von „privaten Universitäten“ spricht. Die Botschaft kam an. Jetzt forderte der Lehrkörper in Yale die Uni-Leitung auf, „sich gegen unrechtmäßige Forderungen zu wehren und diese rechtlich anzufechten“. Also das zu tun, was auch Harvard tut.
Die Retourkutschen muss eine Institution stemmen können: in diesem Fall das Einfrieren von über 2 Milliarden Dollar. Donald Trump hat derweil Schritte eingeleitet, Harvard die steuerlichen Vorteile der Gemeinnützigkeit zu entziehen. Er drohte auch, die Uni als politische Organisation einzustufen. Die Folgen wären desaströs. Princeton-Präsident Eisgruber sprach schon darüber, ob die Zahl der Stipendien zu reduzieren wäre, um angesichts der Kürzungen bei seiner Uni weiterhin Spitzenleistungen in der Forschung garantieren zu können.
Zu viele ausländische Studenten?
Keine der betroffenen Hochschulen bestreitet übrigens Fehler beim Schutz jüdischer Universitätsangehöriger im Zuge der Demonstrationen nach dem Hamas-Massaker im Oktober 2023. Um zu merken, dass der Kampf gegen den Judenhass nicht der primäre Beweggrund für die Schikanen ist, mit denen die Akademie kämpft, reichte es aber, am Montagabend in den Fox-News-Podcast „The Rundown“ hineinzuhören. Da ging es darum, dass ein prominenter Aktivist der Columbia-Proteste abgeschoben werden könne. Ein Gericht gab Außenminister Marco Rubio recht, die Anwesenheit des syrischen Staatsbürgers Mahmoud Khalil berge die Gefahr „negativer außenpolitischer Folgen“.
Khalil, der eine amerikanische Ehefrau hat, die sein Kind erwartet, war im März in einem universitätseigenen Wohnkomplex von Zivilbeamten verhaftet und nach Louisiana verbracht worden, wo er seitdem in Haft sitzt. Fox-Host Eben Brown fasste die Vorwürfe gegen ihn so zusammen: Rubio weise Khalil nicht nur, weil er Visa-Auflagen verletzt habe, aus. Khalil habe auch eine Reihe „antiamerikanischer und antisemitischer Demonstrationen“ angestiftet. Wer es noch nicht wusste, hörte es hier: Auch beim Kampf gegen Antisemitismus gilt für das Trump-Lager „America first“. Den Bärendienst, den man diesem notwendigen Kampf damit leistet, nimmt man wohl in Kauf.
Gast in der Sendung war Ellie Cohanim, in Trumps erster Amtszeit Antisemitismus-Sonderbeauftragte. Dass es an den Elite-Universitäten zu viele ausländische Studenten gebe, die den amerikanischen die Studienplätze wegnähmen, war an diesem Abend der wohl sprechendste Beitrag der dreifachen Mutter zum „America first“, das bald auch in der Ivy League herrschen soll, geht es nach der US-Regierung und ihren Unterstützern.
Die Ministerin für Heimatschutz, Kristi Noem, erklärte dann am Mittwoch, sie habe in einem Brief an die Universität bis zum 30. April Unterlagen angefordert, die über die „illegalen und gewalttätigen Aktivitäten“ ausländischer Studentenvisumsinhaber an der Universität Auskunft geben. Noem, die auch behauptete, an der Universität herrsche eine „antiamerikanische, pro-Hamas-Ideologie“, fuhr fort: „Und wenn Harvard nicht nachweisen kann, dass es seinen Berichtspflichten in vollem Umfang nachkommt, wird die Universität das Privileg verlieren, ausländische Studenten einzuschreiben“.
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