Es wäre unfair, die Giulia mit ihren knapp zehn Jahren als spätes Mädchen zu bezeichnen, für ein Automodell ist sie dennoch etwas in die Jahre gekommen. Auch in der aktuellsten Version hält Alfa Romeo am Bewährten fest und bedient so vor allem nostalgische Gefühle. Eine Fahrt damit ist wie ein Ausflug in die Vergangenheit.
Auch 115 Jahre nach ihrer Gründung in Mailand bleibt die Anonima Lombarda Fabbricia Automobili (Alfa) ihrem Grundsatz treu, einer anspruchsvollen Kundschaft aufregendes Design und viel Fahrspaß bieten zu wollen. Seit 2016 tut sie dies mit der Giulia, einer Limousine der oberen Mittelklasse, die sich für Deutschland als Alternative zu BMW 3er, Mercedes C-Klasse oder Audi A4 begreift. Wir fuhren die Giulia als aktuelles Intensa-Sondermodell (ab 69.000 Euro) und es fühlte sich an wie ein Ausflug in die Vergangenheit.
Elektrische Reichweite, Hybridantrieb oder überhaupt nur ein sparsamer Umgang mit Brennstoff - dies alles spielt für die Giulia nur eine untergeordnete Rolle. Sie will einfach ein aufregendes Fahrzeug - eine Bella Macchina - sein und jede Menge Fahrspaß bieten. Dafür bringt sie alles mit: eine ideale Gewichtsverteilung von 50:50 auf die beiden Achsen, einen Turbo-Benziner mit 280 PS, eine fast perfekt schaltende Achtgang-Automatik von ZF, ein hervorragend abgestimmtes, aktives Fahrwerk, eine präzise Lenkung und kräftig zupackende Bremsen. Die braucht es auch, wenn in den engen Kehren oberhalb des Comer Sees mal wieder ein Linienbus unvermittelt auf der eigenen Spur entgegenkommt.
Ansonsten bewegt sich die Giulia mit behänder Leichtigkeit durch die Serpentinen, die blendend abgestimmte Federung steckt auch gröbere Schläge weg, wie sie auf norditalienischen Strade provinciale an der Tagesordnung sind. Allradantrieb und Sperrdifferenziale sorgen dafür, dass nach einer Spitzkehre ausreichend Vortrieb auf den Boden kommt. Dass dies erst nach einem Momentchen "Bedenkzeit" geschieht, ist der Elektronik geschuldet, die ein paar Sekundenbruchteile benötigt, um die Daten der diversen Sensoren anzugleichen. Auch das aktive Fahrwerk kann nicht völlig verhindern, dass der Vorderwagen beim Bremsen etwas zu stark abtaucht.
Auffällig in Etna-Rot
In den Ortsdurchfahrten zaubert die Giulia manchem Zaungast ein Lächeln ins Gesicht, denn hübsch ist sie zweifellos noch immer, zumal der Testwagen in prägnantem Etna-Rot lackiert ist.
Auch im Innenraum macht sich Zufriedenheit breit, weil Alfa ausgesuchte Materialien hervorragend verarbeitet hat und die besonderen Accessoires und Farbtupfer der Intensa-Edition dem Auge schmeicheln. Schwarze Ledersportsitze mit braunen Kontrastnähten halten Fahrer und Beifahrer fest und auch auf der Rückbank lässt es sich angenehm verweilen, wenn die Gangart nicht allzu sportlich ist. Hinzu kommt eine 900-Watt-Soundanlage, die keine Wünsche offen lässt.
Eine Bella Macchina muss nicht perfekt sein
Überhaupt ist die Giulia in Sachen Elektronik und Assistenten trotz ihrer fast 10 Jahre auf dem Stand der Zeit. Über das allerdings nur 8,8 Zoll große Zentraldisplay lässt sich das Infotainment-System steuern, alle wichtigen Fahrerinformationen scheinen auf einem 12,3-Zoll-Bildschirm hinter dem Lenkrad auf.
Dort sollte der Fahrer vor allem die Tankanzeige im Auge behalten, denn den Normverbrauch von 7,4 bis 8,1 Litern auf 100 Kilometern wird er nur selten erreichen, dafür macht die Giulia zu viel Spaß. Unser Testverbrauch lag bei zugegebenermaßen forscherer Gangart deutlich jenseits der 10-Liter-Grenze. Doch ist dies für einen Alfa-Liebhaber allenfalls ein Schönheitsfehler ebenso wie das Fehlen moderner Antriebskonzepte.
Die Giulia war noch nie ein Auto, um seine Passagiere effizient und rational von A nach B zu bringen. Sie ist eine eher etwas kapriziöse Schönheit, die vor allem die emotionalen Momente des Autofahrens bedient. Genau dafür hält Alfa sie am Leben, auch wenn es eigentlich unvernünftig ist. Aber eine Bella Macchina muss eben nicht perfekt sein.
Alfa Romeo Giulia Intensa - technische Daten
- Viertürige, fünfsitzige Limousine der oberen Mittelklasse
- Länge: 4,65 Meter, Breite: 1,86 Meter (mit Außenspiegeln: 2,02 Meter), Höhe: 1,43 Meter; Radstand: 2,82 Meter; Kofferraumvolumen: 480 Liter. Leergewicht: 1620 kg
- 2,0-Liter-Vierzylinder- Turbobenziner, 206 kW/280 PS, maximales Drehmoment: 400 Nm bei 5.250 U/min, Allradantrieb, 8-Gang-Automatikgetriebe, 0-100 km/h: 5,2 s, Vmax: 240 km/h, Normverbrauch: 7,5 - 8,4 Liter/100 Kilometer, CO2-Ausstoß: 171-190 g/km
- Preis: 69.000 Euro
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