Hinter den Heckenscheren und Rasenmähern ist es nicht mehr weit, bis sich die Einkaufslandschaft ändert. Nach einer Rolltreppe erheben sich erst die Kuchentheke und dann der Kinderspielplatz. Das alles unter einem riesigen Glasdach – in Deutschlands größtem eigenständigen Gartencenter.

Längst schon geht es hier in Seevetal im Süden von Hamburg nicht mehr nur um den Verkauf von Blumen oder Pflanzentöpfen. Besucher kommen auch zum Mittagessen oder um in der hauseigenen Zoo-Abteilung Tiere anzugucken.

„Für unsere Kunden wird das Erlebnis beim Einkaufen immer wichtiger“, sagt Carsten Matthies, Chef des Centers, für das seit 2020 sogar extra der Verkehr in dem kleinen Ort umgeleitet wird. „Sie überlegen sich mittlerweile genau, welche stationären Händler sie aufsuchen.“

Das riesige Gebäude ist ein Symbol dafür, wie sich die Interessen der Deutschen verändert haben. So wird seit einigen Jahren der Garten immer mehr zum Lifestyle-Produkt.

„Die Bedeutung eigener Gärten für die Menschen als Aufenthaltsort hat sich deutlich erhöht“, sagt Peter Wüst vom Handelsverband Heimwerken, Bauen und Gärten (BHB). „Als Rückzugsoase während der Corona-Pandemie, Erholungsort für die Familie oder als Event-Lokalität für die Grillparty.“ Zwar macht der Verkauf von Pflanzen bei den Gartencentern noch immer den größten Teil des Umsatzes aus, doch die großen Trends vollziehen sich in anderen Bereichen.

Garten-Hightech etwa boomt gerade. Automatische Mähroboter oder Bewässerungssysteme kannten laut einer Umfrage der Meinungsforscher von YouGov 2022 bereits mehr als die Hälfte der Deutschen. Nach Schätzungen des Marktforschers Grand View Research aus dem Jahr 2023 hat jeder Zehnte ein solches Gerät schon zu Hause.

In Zukunft sollen es noch deutlich mehr werden. Der Markt für die Robo-Rasenpflege könnte sich demnach bis 2030 verdoppeln: Betrug der Umsatz von selbstfahrenden Mähern 2023 noch umgerechnet etwa 500 Millionen Euro, könnte er dann bereits im Milliardenbereich liegen.

Auch bei der Vernetzung von Geräten oder Düngesystemen mit passender Handy-App besteht Wachstumspotenzial – denn bisher wissen nur wenige Verbraucher, dass es diese Systeme überhaupt gibt.

Vor allem die großen Gartencenter dürften für die zunehmende Bekanntheit von Hightech hinterm Haus sorgen, schätzen Experten. „Große Händler sind leistungsfähiger bei der Auswahl, der Logistik, dem Online-Shopping und im Allgemeinen auch bei der Preisstellung“, meint Verbandsvertreter Wüst.

Während sie auf Innovationen und moderne Vertriebswege setzen, werden für die kleineren, inhabergeführten Geschäfte eine enge Anbindung an örtliche Strukturen und Kundenbeziehungen wichtiger, etwa über Veranstaltungen oder Kooperationen mit lokalen Lieferanten, sagt Wüst. Und weiter: „Das macht diese Unternehmen auch gegenüber großen Filialunternehmen wettbewerbsfähig“.

Dominiert wird der Gartencenter-Markt in Deutschland aber von großen Baumarktketten. Obi und Hagebau haben mit Abstand die meiste Ladenfläche für den Verkauf von Gartengeräten und Pflanzen.

Als erstes reines Gartencenter folgt der Branchenriese Dehner mit deutschlandweit etwas mehr als 700.000 Quadratmetern für Blumen und Co. Carsten Matthies’ Betrieb in Seevetal dagegen hat gerade einmal 17.000 Quadratmeter.

Ihm mache das nichts, sagt Matthies. Besucher kämen aus 50 Kilometer Umkreis und allen Altersgruppen. Auch in diesem Frühling dürfte es wieder so sein: Bald beginnen die hauseigenen Grillkurse – und dann vielleicht auch die ersten Gespräche über die nächste Rasenmäher-Generation.

Felix Seifert schreibt unter anderem über die Themen Karriere, Verbraucher, Mittelstand und Immobilien.

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