Der Vorstoß von Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU), mit der AfD bei organisatorischen Fragen im Bundestag so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien, sorgt für Streit mit dem potenziellen Regierungspartner SPD. „Die AfD ist keine Partei wie jede andere“, sagte Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, dem „Tagesspiegel“. „Wir werden unsere demokratischen Institutionen – allen voran unser Parlament – mit aller Entschlossenheit schützen.“
Die AfD versuche, „unsere Institutionen zu untergraben“, sagte Mast. „Dieser Extremismus stößt auf unseren entschiedenen Widerstand.“ Alle Entscheidungen im Bundestag hätten die Geschäftsordnung als Grundlage und unterlägen demokratischen Entscheidungsprozessen, sagte Mast. „Die Wahl eines Bundestagsvizepräsidenten oder Ausschussvorsitzenden sind keine automatische Anspruchsfrage, sondern eine Entscheidung des Parlaments und brauchen eine Mehrheit.“
Spahn hatte kürzlich vorgeschlagen, die AfD bei Abläufen im Parlament, Verfahren in der Geschäftsordnung, in den Ausschüssen und der Berücksichtigung von Minderheits- und Mehrheitsrechten zu behandeln wie jede andere Oppositionspartei. Mehrere Unionspolitiker sprangen ihm seitdem bei, darunter auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).
Holetschek: „Auf Dauer hat Jens Spahn vermutlich recht“
Auch der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, unterstützt Spahns Forderung. Die AfD sei keine normale Oppositionspartei, sondern „ein Systemfeind“ – sie konsequent vom Bundestag auszuschließen, sei aber nicht der richtige Weg. „Man muss sie weiter bekämpfen, definitiv – aber man muss eine Lösung für den parlamentarischen Betrieb finden“, sagte er im Berlin Playbook Podcast des Nachrichtenmagazins „Politico“, das wie WELT zur Axel Springer SE gehört.
Ob man der AfD künftig auch Ausschussvorsitze überlassen solle, „das wird man diskutieren müssen“, so Holetschek. „Auf Dauer hat Jens Spahn vermutlich recht.“ Dennoch finde er es richtig, „dass man die Vizepräsidenten tatsächlich nicht wählt – das ist ja auch eine Gewissensentscheidung jedes einzelnen Abgeordneten“.
Anders klingt der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter, der am Mittwoch im Deutschlandfunk forderte, im Bundestag keine AfD-Politiker in das Gremium für die Kontrolle der Geheimdienste oder zu Vorsitzenden in anderen sicherheitsrelevanten Ausschüssen zu wählen. „Ich verstehe hier nicht, was da aus Sachsen gesagt wird“, kritisierte Kiesewetter.
Debatte „zur Unzeit“, kritisiert Kiesewetter
Es gehe nicht darum, dass jeder AfD-Abgeordnete natürlich dieselben Rechte wie jeder CDU-Abgeordnete habe. „Entscheidend ist, dass wir nicht ohne Not die AfD in sicherheitsrelevante Ausschüsse hieven“, mahnte der CDU-Sicherheitspolitiker und verwies auf Verbindungen der Partei nach Russland und China. AfD-Politiker sollten daher nicht in das Parlamentarische Kontrollgremium PKGR kommen und auch nicht den Vorsitz in Ausschüssen wie dem Innen- oder dem Verteidigungsausschuss übernehmen. Denn die AfD sei „keine normale Partei“ und stehe in weiten Teilen nicht auf dem Boden der Verfassung. Es gebe keinen Rechtsanspruch einer Partei auf einen Ausschussvorsitz.
Die Debatte komme zudem vor der Bildung einer neuen Regierung „zur Unzeit“, sagte Kiesewetter. „Wir sollten nicht die AfD verharmlosen und schon gar nicht normalisieren.“ Man müsse Vertrauen zurückgewinnen. „Das machen wir nicht, indem wir das Böse normalisieren.“
Keine Stimme von der Linken
Die Linken-Bundestagsfraktion schloss eine Wahl von AfD-Abgeordneten in Ämter des Parlaments aus. „Von uns gibt es keine Stimme für eine Kandidatin/einen Kandidaten der AfD – sei es im Präsidium, im Parlamentarischen Kontrollgremium oder als Ausschussvorsitz“, sagte die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek dem „Tagesspiegel“.
„Das sind Demokratiefeinde, die zumindest in Teilen gesichert rechtsextrem sind. Einer Partei, die die Demokratie von innen heraus zerstören will, werden wir ganz sicher nicht den Teppich ausrollen“, sagte Reichinnek.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß stellte sich hinter Spahn. Er habe „völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass man die AfD nicht mit Geschäftsordnungsdebatten wieder unter 20 Prozent bekommen kann, sondern nur mit inhaltlichen Auseinandersetzungen“, sagte Ploß der Zeitung.
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