- Der Deutsche Gewerkschaftsbund kann die Debatte um den Mindestlohn zwischen Union und SPD nicht nachvollziehen.
- Verdi kritisierte Äußerungen der SPD, wonach der Mindestlohn im kommenden Jahr auf 15 Euro steigt, weil das nicht im Koalitionsvertrag stehe.
- Verschiedene Verbände begrüßen, dass der Mindestlohn weiterhin von einer unabhängigen Kommission festgelegt werden soll.
SPD und Union legen ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag in Bezug auf die Erhöhung des Mindestlohns anscheinend unterschiedlich aus. Während die SPD den Mindestlohn bereits 2026 auf 15 Euro pro Stunde erhöhen will, sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Wochenende, dass man möglicherweise erst 2027 auf diesen Betrag komme.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kann die Debatte nicht nachvollziehen. Der Absatz zum Mindestlohn sei unverändert vom Sondierungspapier in den Koalitionsvertrag gewandert, sagt Stefan Körzell vom DGB. Er sitzt für die Arbeitnehmerseite in der Mindestlohnkommission. "Ich kann die Aufregung nicht verstehen, die momentan von Seiten der Union an den Tag gelegt wird – vor allem von Seiten des zukünftigen Kanzlers. Er war zentraler Ankerpunkt in den Sondierungsgesprächen und in den Koalitionsverhandlungen." Doch nun könne man den Eindruck bekommen, Merz sei gar nicht dabei gewesen, sagt Körzell.
Entscheidung liegt bei der Mindestlohnkommission
Aber was steht genau im Koalitionsvertrag? "Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar."
Das Medianeinkommen ist die statistische Mitte – also das Einkommen, bei dem es genauso viele Menschen mit einem höheren wie mit einem niedrigeren Einkommen gibt.
Kommissionsmitglied Körzell begrüßt, dass dieser Faktor künftig mit in die Entscheidung einfließe. Es gehe dabei aber nur um einen Orientierungswert – und keinen Automatismus: "Am Ende ist die Mindestlohnkommission in ihrer Entscheidung frei. Die Bundesregierung sagt jetzt, dass ein weiterer Erwägungsgrund bei der Findung des Ergebnisses das durchschnittliche Medianeinkommen von 60 Prozent sein soll."
Dieser Wert ist nicht neu. Auch die Mindestlohnrichtlinie der EU schreibt vor, sich daran zu orientieren. Und schon im Januar hatte die Kommission selbst sich in einer neuen Geschäftsordnung dazu verpflichtet, diese sogenannte Armutsfestigkeit zu beachten.
Kritik an der SPD von Gewerkschaft Verdi
Doch Norbert Reuter, Leiter Tarifpolitik bei der Gewerkschaft Verdi, schränkt ein: "Das ist eine Orientierung und die Arbeitgeberseite hat schon signalisiert, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen es äußerst schwierig ist, das Ziel zu erreichen. Das heißt, wir müssen mit erheblichen Divergenzen in der Kommission rechnen."
Rechnerisch seien 15 Euro Mindestlohn zwar möglich, am Ende hänge es aber vom Verhandlungsergebnis in der Mindestlohnkommission ab – also einem Gremium, in dem Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite sowie Vertreter aus der Wissenschaft sitzen. "Insofern ist von SPD-Seite etwas unehrlich zu sagen, das sei beschlossen. So steht es nicht im Koalitionsvertrag", sagt Reuter.
Unabhängiges Gremium entscheidet über Mindestlohn
Die Vertreter der Arbeitgeberseite in der Mindestlohnkommission wollen sich aktuell nicht dazu äußern. Andere Verbände begrüßen aber, dass die Entscheidung weiter bei dem unabhängigen Gremium liegen soll – so wie Ute Zacharias vom Verband der Wirtschaft Thüringens: "Das ist der Ort, wo darüber gesprochen wird. Wir sind der Ansicht, dass Politik auf Lohnentwicklung keinen Einfluss nehmen sollte."
Ganz ähnlich sieht das Hans-Jürgen Völz, Chef-Volkswirt des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft. Er sieht die Unabhängigkeit der Kommission gestärkt. Eine eindeutige Festlegung kann er nicht erkennen: "Eindeutig wäre es gewesen, wenn im Koalitionsvertrag gestanden hätte: 'Am 1. Januar 2026 muss der Mindestlohn auf 15 Euro steigen, analog zu dem, was Kanzler Scholz in den Vorjahren getan hat.' Das steht dort nicht drin."
Im Juni tritt die Mindestlohnkommission zu den nächsten Verhandlungen zusammen. Erst dann wird sich zeigen, wie hoch der Mindestlohn im kommendem Jahr tatsächlich ausfallen soll.
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