Ein gut einstündiges Gespräch im bayerischen Wissenschaftsministerium genügte: Die seit Monaten schwelende Affäre an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) um angebliche „neurechte Tendenzen“ bei zwei Historikern ist beendet. Auf Vermittlung des Ministerialdirigenten Michael Mihatsch einigten sich die Streitparteien auf eine geräuschlose Lösung.
Die Uni-Leitung unter ihrem Präsidenten Paul Pauli wird keine Konsequenzen aus Vorwürfen linker Studenten gegen den Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte, Peter Hoeres, sowie gegen dessen wissenschaftlichen Mitarbeiter Benjamin Hasselhorn, ziehen. In einer am Dienstag verschickten Mitteilung des bayerischen Wissenschaftsministeriums heißt es: „Es besteht Einigkeit, dass die von Teilen der Studierenden kritisierten Äußerungen und Publikationen, auch von Lehrstuhlmitarbeitern, in keiner Weise zu beanstanden sind.“
Gemeint ist damit ein elf Jahre alter Aufsatz Hasselhorns in der rechtsgerichteten Zeitschrift „Sezession“, den die Studentengremien als einzigen konkreten Vorwurf benannten. In einer Resolution hatte das Studentenparlament im März „neurechte Tendenzen“ am Lehrstuhl angeprangert, allerdings auch auf mehrfache Nachfrage ohne jedes weitere Detail. Dafür mussten sie schon in den vergangenen Tagen viel Kritik von Historikern mehrerer deutscher Unis einstecken.
Die Uni-Leitung begräbt außerdem Pläne, an Hoeres vorbei Lehrangebote in dessen Institut anzubieten. Genau daran hatte einer der Vizepräsidenten bereits gearbeitet. Diese zusätzlichen Lehrangebote sollten ein linkes Gegengewicht zum vermeintlich „rechten“ Lehrstuhl schaffen. Zusätzliche Kurse soll es aber gleichwohl geben, jedoch „im Einvernehmen zwischen Fakultät und Lehrstuhlinhaber“, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums.
Konsequenzen soll es für keine Seite geben. In der Mitteilung des Ministeriums heißt es: „Die Hochschulleitung und der Lehrstuhlinhaber werden einvernehmlich alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um den Hochschulfrieden und einen offenen Diskurs im Sinne der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit an der JMU vollumfänglich zu wahren.“
Vor dem Treffen im Ministerium hatte es teils massive Kritik auch an der Würzburger Uni-Leitung gegeben. Zuletzt organisierte der Hamburger Geschichtsprofessor Burkhardt Meißner einen Online-Solidaritätsaufruf für Hoeres und Hasselhorn. Die beiden seien Opfer einer Rufmordkampagne, schreibt er in einer Erklärung. Den Aufruf hatten am späten Dienstagnachmittag 469 Personen unterzeichnet, die meisten Akademiker, Privatdozenten oder Professoren.
Christoph Lemmer berichtet für WELT als freier Mitarbeiter vor allem über die Politik in Bayern.
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