Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ist bekannt für einen gewissen Hang zur Jovialität. Doch seine Begrüßung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj grenzte am Donnerstag dann doch an Heuchelei. „Mein Freund, wie geht es dir – wirklich schön, dich zu sehen“, sagte er lächelnd, als sein Gast an Ramaphosas Amtssitz in Pretoria vorgefahren war.
Selenskyj bedankte sich deutlich zurückhaltender: „Gut, dich zu sehen – wie geht es dir?“ Und man fragte sich, ob es allein der Eindruck der Vornacht war, als bei russischen Raketenangriffen so viele Menschen in Kiew getötet wurden wie seit dem vergangenen Juli nicht mehr, der seine Stimme hemmte. Oder doch die Erinnerung an die Russland-freundliche Politik des vermeintlich neutralen Südafrikas gerade zu Beginn des Ukraine-Krieges. Eine klar an Moskau adressierte Verurteilung der russischen Invasion ist Ramaphosa bis heute schuldig geblieben.
Als die beiden Staatschefs die Treppen hochschritten, war bereits klar, dass Selenskyj kurz darauf schon wieder abreisen würde. Die russischen Angriffe auf Kiew hatten ihn schon unmittelbar nach seiner Ankunft dazu veranlasst, sein Programm zu reduzieren. Eigentlich waren Treffen mit der ukrainischen Diaspora in Südafrika sowie mit Repräsentanten aus anderen afrikanischen Ländern geplant, genauso wie eine Vorlesung an einer Universität. So blieb es beim Gespräch mit Ramaphosa.
Die Verlautbarungen danach blieben im Rahmen des Erwartbaren. „Wir haben über die Notwendigkeit gesprochen, die globalen Bemühungen so umfassend wie möglich zu bündeln, um den notwendigen Druck auf Russland auszuüben“, teilte Selenskyj mit. „Wir haben auch über die Chancen gesprochen, die sich im Rahmen der G 20 bieten – Südafrika hat derzeit den Vorsitz, und die G 20 könnten eine wesentlich stärkere Rolle beim Schutz menschlichen Lebens spielen.“
Er kritisierte auch, dass Russland – anders als die Ukraine – keinen Willen zu einem Waffenstillstand zeige. Die USA hätten betont, dass in diesem Fall der Zeitpunkt für Sanktionen für Russland gekommen sei. „So haben wir es verstanden und wahrgenommen“, sagte Selenskyj.
Ohne Pomp, Salut und Ehrengarde lief sein erster Besuch in Afrika ab (er hatte 2023 auf der Durchreise nach Argentinien auf den Kapverden lediglich einen Zwischenstopp eingelegt). Stattdessen sollte es um Substanz gehen, so betonen es beide Seiten.
Für die Ukraine heißt das auch, Russlands wachsendem Einfluss in Afrika zu begegnen. Das hatte man bis zu Beginn des Krieges sträflich vernachlässigt, seitdem aber wurde die Zahl der ukrainischen Botschaften auf dem Kontinent von 10 auf 20 verdoppelt. Immer wieder wurde zuletzt auch betont, die Ukraine wolle den Handel mit Afrika ausbauen. Der ist bislang minimal, was allerdings auch auf Russlands wirtschaftliche Aktivitäten zutrifft – zumindest die legalen.
In Wahrheit jedoch offenbarte das Treffen in Pretoria ein diplomatisches Paradox: Südafrikas Nähe zu Moskau bleibt bestehen, doch Selenskyj wurde als Freund empfangen – nachdem Ramaphosa im vergangenen Jahr bereits Russland als „wertvollen Alliierten und Freund“ bezeichnet hatte. Noch vor wenigen Tagen hatte er vorsorglich mit Wladimir Putin telefoniert.
Selenskyj dürfte das wenig erfreut haben – genauso wenig wie die Tatsache, dass Ramaphosa nur wenige Minuten vor den bilateralen Gesprächen mitteilen ließ, dass er mit US-Präsident Donald Trump telefoniert habe. Sowohl die Ukraine als auch Südafrika haben derzeit eher angespannte Beziehungen mit Washington.
Nun aber erklärte Ramaphosa mit Bezug auf das Trump-Telefonat: „Wir stimmen beide überein, dass dieser Krieg so schnell wie möglich beendet werden sollte, um weitere unnötige Tote zu verhindern.“ Keine Rede von der Tatsache, dass Trumps „Friedensplan“ gänzlich auf Putin-Linie ist.
Die Erwartungen an seine Südafrika-Reise hatte Selenskyj bereits im Vorfeld klar kommuniziert: Es gehe um „die Notwendigkeit, die globalen diplomatischen Anstrengungen zu verstärken“. Es sei „extrem wichtig“, dass jeder auf der Welt sehe und verstehe, was wirklich geschehe, die aktuellen Angriffe seien dafür ein weiterer Beleg. Sie müssten sofort und bedingungslos gestoppt werden. Er zähle zudem auf Unterstützung bei humanitären Fragen – insbesondere bei der Rückführung tausender von Russland entführter ukrainischer Kinder während der Besetzung des östlichen und südlichen Teils seiner Heimat.
Hier nahm Selenskyj Südafrika dann doch ganz konkret in die Pflicht. Schließlich hat das Land zugestimmt, sich gemeinsam mit Katar und dem Vatikan an internationalen Bemühungen zur Befreiung der Kinder zu beteiligen. Allerdings ist Pretoria der zuständigen Koalition zur Rückführung der Kinder nicht beigetreten, was die Frage aufwirft, ob es sich am Ende um mehr als eine moralische Inszenierung handelt.
Am Donnerstag übergab Selenskyj jedenfalls eine Liste mit den Namen von 400 entführten Kindern: „Wir hoffen wirklich, dass uns Präsident Ramaphosa helfen wird, sie zurückzuholen“, sagte er.
Bislang trägt die ukrainische Diplomatie-Offensive in Afrika kaum Früchte. Nur knapp die Hälfte der afrikanischen Länder stimmte für die letzte UN-Resolution gegen Russland im Februar, die meisten anderen enthielten sich.
Christian Putsch ist Afrika-Korrespondent. Er hat im Auftrag von WELT seit dem Jahr 2009 aus über 30 Ländern dieses geopolitisch zunehmend bedeutenden Kontinents berichtet.
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