Auf indischen Hochzeiten wird tagelang gefeiert, gegessen und vor allem: Gold geschenkt. Es steht für Tradition, Status und Sicherheit. Doch der rekordhohe Goldpreis gefährdet diese Tradition.
Im Süden Neu-Delhis präsentiert Shop-Manager Gaurav Chandra ein Collier mit Rubinen, Diamanten und einem goldenen Anhänger - so groß wie eine Walnuss. "Diese Art Schmuck ist für Hochzeiten gemacht", erklärt er. Polki-Schmuck, opulent und handgefertigt, gehört fest zur traditionellen Brautausstattung. Jedes Schmuckstück wird hier in Szene gesetzt. Es ist Hochzeitssaison - und in den kommenden Wochen wird überall im Land geheiratet. Eine große Schau. Doch nicht alle können mitspielen.
Ein paar Kilometer entfernt sitzt Kalpana Mathur und blickt sorgenvoll auf die kommenden Wochen: Ihr Sohn wird heiraten - aber die Kosten für den Schmuck belasten die Familie schwer. "Der Termin steht fest, aber der Goldpreis ist so stark gestiegen. Wir bekommen jetzt nur noch die Hälfte für unser Geld", sagt sie.
Tatsächlich zeigt die digitale Anzeigetafel im klimatisierten Juwelierladen einen Rekordwert: 97.460 Rupien - über 1.000 Euro - kosten zehn Gramm 24-karätiges Gold. Und auch Schmuckgold ist kaum günstiger: 22 Karat, der Standard für hochwertigen Brautschmuck, liegt nur geringfügig darunter. Geopolitische Unsicherheiten und eine schwankende US-Zollpolitik haben den Preis in die Höhe getrieben.

Gaurav Chandra präsentiert klassischen indischen Hochzeitsschmuck aus Gold mit Rubinen.
Zwischen Wertanlage und Verpflichtung
Trotz der hohen Preise geben viele Familien nicht auf. Gold gilt in Indien nicht nur als Schmuck, sondern auch als Wertanlage - und als Absicherung für die Frau. Mohit Chopra etwa sitzt mit seiner Frau in weichen Sesseln, vor ihnen schwarze Schmuckkästchen. Die Preisfrage scheint für ihn zweitrangig: "Wofür verdienen wir überhaupt Geld? Für die Frauen. Also warum sollte es eine Rolle spielen?", sagt er lachend.
Doch solche Aussagen können sich nur wenige leisten. Für Familien aus der Mittelschicht ist selbst das absolute Minimum an Brautschmuck kaum noch zu stemmen. Store-Manager Chandra rechnet vor: "Allein das Nötigste - eine Halskette, Armreifen, ein Nasenring und Stirnschmuck - kostet mindestens 20 bis 25 Lakhs", also umgerechnet rund 22.000 bis 28.000 Euro.
Die meisten greifen deshalb tief in die eigene Sammlung - oder tauschen alten Familienschmuck gegen neue Designs ein. "Viele haben vor zehn Jahren für 40.000 Rupien gekauft - heute ist das doppelt so viel wert", erklärt Chandra. Kundinnen geben alten Schmuck ab und erwerben dafür moderne, leichtere Designs - oft angepasst an die Wünsche der Töchter.

Familie Chopra lässt sich beraten. Sie können sich Goldschmuck trotz gestiegener Preise leisten.
Der Preis steigt, der Umsatz bricht ein
Doch selbst dieser Kompromiss hilft nicht allen. Mohit Shekhar, Geschäftsführer des Juweliergeschäfts, analysiert die Lage zwischen Preistabellen, Laptop und einer Tasse Tee nüchtern: "Wenn der Preis steigt, ist der Laden leer. Fällt er auch nur um 2.000 Rupien, ist das Geschäft sofort wieder voll." Der Umsatz sei in seiner Filiale um bis zu 25 Prozent eingebrochen, andere Juweliere berichten sogar von einer Halbierung der Kundschaft.
Indien ist nach China der zweitgrößte Markt für Gold weltweit - rund 70 Prozent des Edelmetalls werden dort in Schmuck Form gekauft. Nicht umsonst heißt es oft, die Hälfte des weltweiten privaten Goldbestands liege in den Schränken indischer Frauen. Ein Zeichen dafür, wie eng der Besitz von Gold mit gesellschaftlichen Rollenbildern verknüpft ist.
"In Indien wird Gold als Vermögensaufbau für die Frau betrachtet", sagt Shekhar. "Viele Frauen arbeiten nicht, verdienen also kein eigenes Geld. Deswegen schenken Männer den Frauen zu jeder Gelegenheiten Schmuck." Eine Jahrtausende alte Praxis, sagt er - die nun allerdings ins Wanken gerät.

Nicht nur fürs Herz: In Indien hat Goldschmuck als Hochzeitsgeschenk eine große Bedeutung.
Eine Tradition unter Druck
Kalpana Mathur will dennoch an der Tradition festhalten, muss dafür aber improvisieren. Zur Verlobung soll ihre Schwiegertochter eine kleine Kette erhalten - das große Geschenk gibt es erst zur Hochzeit. Vermutlich werde sie auch ein Stück aus ihrer eigenen Sammlung beisteuern müssen, sagt sie.
In Indien beginnen viele Eltern bereits mit der Geburt ihres Kindes, Gold zu kaufen - insbesondere, wenn es sich um eine Tochter handelt, erklärt Gold-Experte Shekhar. Doch gerade für die jüngeren Generationen wird es zunehmend schwieriger, eigene Rücklagen in Form von Gold aufzubauen. Mit jeder weiteren Preissteigerung drängt sich daher die Frage auf: Wie lange kann sich diese Tradition noch halten?
"Früher hat man zur Hochzeit einfach zehn Gramm Gold verschenkt", sagt Shekhar. "Heute ist das schlicht nicht mehr möglich. Das Budget ist gleich geblieben - aber das Geld fließt jetzt in Smartphones, Markenmode oder Elektronik." Wenn Gold unbezahlbar bleibt, droht in Indien der Verlust eines kulturellen Symbols, das über Generationen hinweg Sicherheit, Stolz und Status verkörpert hat.
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