In der zukünftigen schwarz-roten Bundesregierung wird Carsten Linnemann kein Ministeramt bekleiden, sondern als Generalsekretär weiterhin die Geschicke der CDU lenken. Linnemann erklärte am Dienstag, er stelle sich in den Dienst der Partei. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass der 47-Jährige auf einen Posten im Merz-Kabinett aus Unmut verzichtet, denn das von Linnemann angestrebte Arbeits- und Sozialministerium geht an die SPD.

So bewerten Medien den Vorgang:

„Neue Zürcher Zeitung“: Absage ist „indirektes Misstrauensvotum“

Die „NZZ“ sieht in Linnemanns Verzicht ein „indirektes Misstrauensvotum“ gegen Friedrich Merz: „Gut dürfte der wahrscheinlich nächste Kanzler Merz das nicht finden. Linnemann ist einer der wenigen Namen, hinter denen sich sowohl Konservative als auch Wirtschaftsliberale in der Union versammeln können. Er hat fünfmal in Folge seinen Wahlkreis in Nordrhein-Westfalen gewonnen und vermochte mit seinem enthusiastischen Einsatz für eine konservative Erneuerung selbst Politikverdrossene davon zu überzeugen, der CDU noch einmal ihre Stimme zu geben.

Linnemann wurde als Wirtschaftsminister gehandelt. Doch aus seinem Umfeld heißt es, dass es ihm dort an finanziellem Spielraum und gesetzgeberischen Hebeln gemangelt habe, um die versprochenen Wirtschaftsreformen wirklich voranzutreiben. Die gut gefüllten Kassen – etwa im Arbeits- und Sozialministerium oder im Finanzressort – hat Merz den Sozialdemokraten überlassen. Das erweist sich nun als Fehler. Denn Linnemann hätte nur zu gern als künftiger Arbeitsminister eigenhändig das unbeliebte ‚Bürgergeld‘ abgeschafft.

Aber seine Absage hinsichtlich eines Sitzes im Ministerkabinett ist auch ein indirektes Misstrauensvotum gegen die künftige Regierung Merz. Mit Linnemann verzichtet nicht irgendwer auf einen Kabinettsposten. Er ist Merz' wichtigster Mann.“

„Freie Presse“: „Gut für die CDU, wenn Linnemann bleibt“

Die „Freie Presse“ aus Chemnitz befürwortet Linnemanns Verbleib im Konrad Adenauer Haus: „Als Linnemann erstmals Generalsekretär wurde, konnte man berechtigt fragen, ob der Wirtschaftsliberale Merz nicht zu ähnlich ist. Jetzt muss Merz in eine neue Rolle hineinwachsen, in der er als Kanzler auch diejenigen anspricht, die nicht CDU wählen. Merz muss ein anderer werden. Deshalb ist es gut für die CDU, wenn Linnemann bleibt, wer er ist – und was er ist.“

„Rhein-Neckar-Zeitung“: Kevin Kühnert als mahnendes Beispiel

Die in Heidelberg beheimatete „Rhein-Neckar-Zeitung“ befürchtet, dass Linnemann nun das gleiche Schicksal ereilen könnte wie einst Kevin Kühnert: „CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, ein politischer Ökonom durch und durch, verzichtet jetzt. Ob das letztlich nur mit dem dürftigen Koalitionsvertrag zusammenhängt, spielt nicht die ganz große Rolle. Dass aber ein Politiktalent sich lieber im Parteiengezänk verliert – das hatte zuletzt SPD-General Kevin Kühnert bitter bereut.“

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„Reutlinger General-Anzeiger“: Linnemann verzichtet auf Amt, dass er ohnehin nicht bekommen hätte

Der „Reutlinger General-Anzeiger“ will indes eine PR-Nummer in eigener Sache ausgemacht haben: „Linnemann verzichtet auf ein Amt, das er wohl gar nicht bekommen hätte. Bei der Besetzung des Kabinetts muss Merz nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch den innerparteilichen Proporz bei Geschlecht, Region und Parteiflügel beachten. Linnemann ist – wie Merz selbst – ein Mann aus Nordrhein-Westfalen, der den Wirtschaftsflügel der CDU repräsentiert.“

„Münchner Merkur“: „Böses Omen für die Merz-Kanzlerschaft“

Die Berliner Tageszeitung „Merkur“ zollt Linnemann Respekt für seine Entscheidung: „Auch das noch! Der Verzicht von Carsten Linnemann auf das Amt des Bundeswirtschaftsministers ist ein schwerer Schlag für den künftigen Kanzler Merz – und ein Schock für dessen konservative Wähler: Wie kein anderer stand der CDU-Mittelstandsmann für den versprochenen ‚Politikwechsel‘. Er war der Architekt der Wirtschaftswende. Doch hat der 47-Jährige keine Lust, als Chef eines kastrierten Ministeriums ein in SPD-Rot geschriebenes Regierungsprogramm inklusive 15-Euro-Mindestlohn umzusetzen und dafür seine Glaubwürdigkeit zu opfern. Das verdient Respekt. Aber es ist ein böses Omen für die (vermutlich) am 6. Mai startende Merz-Kanzlerschaft.“

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