In Donald Trumps Vereinigten Staaten werden große Anstrengungen unternommen, all jene Seiten aus dem Geschichtsbuch zu reißen, die nicht der Erbauung und dem Selbstlob dienen. So hat der „National Park Service“ soeben Hinweise auf schwarze Versuche der Selbstbefreiung von seiner Website getilgt; auch Erwähnungen des schändlichen „Fugitive Slave Act“ von 1850, der bestimmte, dass entflohene Sklaven von den Nordstaaten ihren Herren ausgeliefert werden mussten, wurde getilgt. Insgesamt soll der Eindruck erweckt werden, Schwarze müssten den Weißen auf den Knien für die ihnen erwiesenen Wohltaten danken. Ein guter Grund, Frederick Douglass wiederzuentdecken!

Douglass ist der einzige amerikanische Intellektuelle des 19. Jahrhunderts, der sich nie rassistisch, frauenfeindlich oder antisemitisch geäußert hat. 1818 wurde er in Maryland als Sohn einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters geboren; er empfand als beschämend, dass er, im Unterschied zu den weißen Kindern, seinen eigenen Geburtstag nicht kannte. Mit 20 Jahren entkam er unter abenteuerlichen Umständen der Sklaverei. Ihm genügte nicht, dass er nun endlich ein freier Mann war, alle schwarzen Amerikaner sollten das Licht der Freiheit sehen. Also wurde er zu einem Vordenker der abolitionistischen Bewegung. Gleichzeitig setzte er sich für das Frauenwahlrecht ein, was ihn für seine Zeit endgültig zum Radikalen stempelte.

Als Lincoln Präsident wurde, stand Frederick Douglass ihm skeptisch gegenüber. Schließlich hatte Lincoln in seiner Ansprache zu seiner ersten Amtseinführung den rassistischen Südstaatlern versichert, dass er ihre „spezielle Institution“, die Sklaverei, nicht antasten würde. Als dann aber der Bürgerkrieg ausbrach und schwarze Soldaten todesmutig für die Sache der Union kämpften, sah Lincoln ein, dass er ihnen die vollen Bürgerrechte nicht verweigern konnte. Douglass wurde ein gern gesehener Gast im Weißen Haus, er und Lincoln schlossen Freundschaft.

20 Jahre vor dem Ende des Bürgerkriegs erschien „Narrative of the Life of Frederick Douglass, an American Slave“. Das Buch war dermaßen brillant geschrieben, dass viele Weiße glaubten, Douglass habe es nicht selbst verfasst – trotzdem avancierte es sofort zum Bestseller. In Douglass’ Buch konnte das interessierte Publikum nachlesen, dass schwarze Männer, Frauen und Kinder in den Südstaaten unter (wie wir heute sagen würden) Gulag-ähnlichen Bedingungen lebten: Jeder durfte sie foltern, vergewaltigen, totschlagen.

Der polnische Dichter Czeslaw Milosz schrieb, der östliche Intellektuelle unterscheide sich vom westlichen Intellektuellen vor allem dadurch, „dass er mal was in die Fresse gekriegt hat“. Nach dieser Definition waren Amerikas schwarze Intellektuelle östlich, ehe es diese Kategorie überhaupt gab. Tatsächlich ist es aufschlussreich, hintereinander Douglass und die Essays von Václav Havel zu lesen: Man findet hier dieselbe moralische Dringlichkeit, denselben Widerwillen gegen Schönfärberei, oft genug auch denselben Humor.

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