Ein 21-Jähriger wurde in der Nacht zu Ostersonntag in Oldenburg von einem Polizisten erschossen. Laut Obduktion trafen drei Schüsse den jungen Mann von hinten. Der Beamte soll zuvor durch Pfefferspray verletzt worden sein.
Die Schussverletzungen befinden sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft Oldenburg an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf. Ein vierter Schuss soll den 21-Jährigen laut Obduktionsergebnis am Oberschenkel gestreift haben, heißt es in einer am Dienstagabend veröffentlichten Mitteilung. Aufgrund der laufenden Ermittlungen könne die Staatsanwaltschaft keine weiteren Angaben machen, hieß es am Dienstag.
Verdacht auf Totschlag: Ermittlungen gegen Polizisten
Der Beamte, der in der Nacht zu Ostersonntag geschossen hat, wurde nach Angaben der Behörde vom Dienst suspendiert. Gegen den 27 Jahre alten Polizisten wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Totschlags eingeleitet. Dies sei in solchen Fällen üblich, sagte ein Polizeisprecher. Das Verfahren wird von der Staatsanwaltschaft Oldenburg geführt. Mit den Ermittlungen wurde aus Gründen der Neutralität eine andere Polizeiinspektion betraut, in diesem Fall Delmenhorst.

Der 21-Jährige wurde in der Nacht zu Ostersonntag durch die Schüsse lebensgefährlich verletzt und starb im Krankenhaus.
Behrens spricht von "verheerenden Vorwürfen"
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) äußerte sich nach dem Tod des 21-Jährigen "betroffen". "Die Obduktionsergebnisse werfen schwerwiegende Fragen und verheerende Vorwürfe auf, die im Rahmen der weiteren Ermittlungen schonungslos beantwortet und aufgeklärt werden müssen." Dies sei sowohl im Interesse der Angehörigen und der Öffentlichkeit als auch der Polizei. "Wie in jedem rechtsstaatlichen Verfahren gilt auch in diesem Fall die Unschuldsvermutung", sagte Behrens. "Ich setze darauf, dass Polizei und Justiz den Hergang der Ereignisse vom vergangenen Wochenende lückenlos rekonstruieren."
Polizeipräsident: "Hintergründe lückenlos aufarbeiten"
"Dieser Einsatz und die Tatsache, dass ein junger Mensch ums Leben gekommen ist, machen mich sehr betroffen", sagte der Präsident der Polizeidirektion Oldenburg, Andreas Sagehorn, am Dienstag. Er sprach den Angehörigen und Freunden des verstorbenen 21-Jährigen sein Mitgefühl aus. "Nicht nur sie, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger wünschen sich Antworten auf die noch ungeklärten Fragen. Das ist emotional verständlich, jedoch müssen zunächst - nach den Prinzipien eines funktionierenden Rechtsstaates - die Hintergründe dieses tragischen Ereignisses lückenlos aufgearbeitet werden", betonte Sagehorn.
Oldenburg: Polizei stoppt Angreifer mit tödlichem Schuss
Schuss des Polizisten - war es verhältnismäßig?
Daher werden Zeugen gesucht und befragt, um den Vorgang aufzuklären, wie der Polizeispräsident sagte. Aus einem Polizeibericht soll hervorgehen, dass der 21-Jährige dem Beamten, der geschossen hat, zuvor bedrohlich nahegekommen war. Nun muss laut Polizei geklärt werden, ob der Polizeibeamte tatsächlich in Notwehr handelte und ob die Schussabgabe verhältnismäßig war. Laut dem Polizeigesetz dürfen Schusswaffen gegen Personen nur eingesetzt werden, um Angreifer zu stoppen.
Vorwürfe gegen Polizei: Demo am Freitag geplant
Freunde des Getöteten legten derweil am Ort des Polizeieinsatzes Blumen nieder und hinterließen Abschiedsbriefe. Wie NDR Niedersachsen erfuhr, soll der Getötete aktiver Fußballer und in der Stadt recht bekannt gewesen sein. Am Dienstag zeigten sich Freunde fassungslos und machten der Polizei schwere Vorwürfe. Diese habe überreagiert, sagten sie dem NDR Niedersachsen. Für Freitag ist eine Demonstration in Oldenburg geplant. In dem Aufruf, der von mehreren Initiativen unterzeichnet ist, geht es auch um Rassismus. Dieser sei auch in der Polizei strukturell, heißt es. Hintergrund des Vorwurfs: Der getötete 21-Jährige ist eine person of color.
Mehrere Menschen durch Reizgas leicht verletzt
Die Schüsse fielen laut Polizei gegen 2.40 Uhr in der Nacht zu Ostersonntag. Zuvor sei dem 21-Jährigen der Zutritt zur Diskothek "Pablo's" verwehrt worden, hieß es. Daraufhin soll der Mann Reizgas versprüht haben. Zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sowie zwei Menschen, die vor der Disco standen, wurden leicht verletzt. Anschließend sei der 21-Jährige geflüchtet, so die Polizei. Ihren Angaben nach sollen mehrere Personen den Mann zunächst verfolgt haben. Sie hätten gestoppt, als der 21-Jährige ihnen mit einem Messer drohte. Als Polizisten den Mann angesprochen hätten, sei er davongerannt. In einer benachbarten Straße sei er dann bedrohlich auf weitere Polizisten zugegangen und habe Pfefferspray gesprüht. Dabei sei der Polizist durch das Reizgas verletzt worden. Dann schoss der 27-jährige Beamte mit seiner Dienstwaffe. Der 21-Jährige starb kurz darauf im Krankenhaus.
22 Tote bei Dienstwaffengebrauch im Jahr 2024
Im Jahr 2024 wurden nach Informationen der Zeitschrift "Bürgerrechte & Polizei" in Deutschland 22 Menschen von Polizisten im Einsatz erschossen - so viele wie seit über vier Jahrzehnten nicht mehr. Im laufenden Jahr wurden bundesweit bislang elf tödliche Schüsse aus Dienstwaffen abgegeben. Seit 1976 zählt die Statistik insgesamt 525 Todesschüsse.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 23.04.2025 | 08:00 Uhr
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